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Aus den Augen, aus dem Sinn: Im Februar begannen pakistanischen Behörden mit dem Abriss ...

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... des Bin-Laden-Anwesens. Heute erinnert nichts mehr an das berühmte Versteck in Abbottabad.

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Neu im Chefsessel: Ayman az-Zawahiri.

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Teile der somalischen Al-Shabaab-Bewegung gaben Anfang 2012 ihren Zusammenschluss mit Al-Kaida bekannt.

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In der Peripherie der pakistanischen Stadt Abbottabad erinnert nur noch ein Schutthaufen an die dramatischen Ereignisse vor einem Jahr. Das Haus, in dem sich Osama bin Laden jahrelang versteckte, ließen die Behörden abreißen. Nichts soll mehr daran erinnern, dass ein US-Spezialkommando den meistgesuchten Mann der Welt in der Nacht des 2. Mai unweit der pakistanischen Militärakademie tötete.

Doch der Tod des Al-Kaida-Gründers war nicht der einzige Schlag, den die Terrororganisation vergangenes Jahr zu verkraften hatte. Zahlreiche Anhänger Bin Ladens – darunter auch einige aus dem engsten Kreis – wurden Opfer von Drohnenangriffen: Erst letzte Woche musste die Organisation eingestehen, dass Abu Miqdad al-Masri durch einen US-Luftschlag im vergangenen Oktober getötet wurde. Der einer breiten Öffentlichkeit unbekannte Ägypter war Mitglied des Shura-Rats – des Führungsgremiums von Al-Kaida.

Neben Bin Laden verloren unter anderen auch Atiyah Abd ar-Rahman al-Libi und Ilyas Kashmiri – beide wichtige Anführer von Al-Kaida – ihr Leben (mehr dazu auf der interaktiven Karte).

Gefahr gebannt?

Die US-Regierung jubelt: Für Ex-CIA-Chef und Verteidigungsminister Leon Panetta ist die Terrororganisation am Ende, er sei "überzeugt, dass ein strategischer Sieg über Al-Kaida in Reichweite ist". Geheimdienstvertreter sehen die Bewegung vor dem Kollaps.

Für Will McCants, Experte für militanten Islamismus und ehemaliger Berater des US-Außenministeriums, ist die Gefahr jedoch noch nicht gebannt: "Al-Kaida ist noch immer gefährlich, nur die Art der Bedrohung hat sich geändert." Zwar sei die zentrale Führung in Afghanistan und Pakistan stark geschwächt, gleichzeitig ist es der Terrororganisation allerdings gelungen in anderen Ländern Fuß zu fassen. Im Jemen und Somalia konnte sie sogar territoriale Gebiete unter ihre Kontrolle bringen.

Anführer ohne Charisma

Unter dem neuen Kommandeur, Ayman az-Zawahiri, veränderte Al-Kaida langsam ihre strategische Ausrichtung. Statt großangelgter Angriffe, die für den gejagten Kern derzeit kaum möglich sind, konzentriert sich Zawahiri auf das Machbare.

Der Ägypter weiß mit schwierigen Situationen umzugehen: In den 80er Jahren wurde er für seine Beteiligung an der Ermordung von Präsident Anwar as-Sadat verhaftet und gefoltert. Nach seiner Entlassung floh er zunächst nach Pakistan und überlebte mehrere Attentatsversuche im Sudan und Afghanistan. Sein derzeitiger Aufenthaltsort wird in Pakistan vermutet. Dem ausgebildeten Chirurgen wird ein Mangel an Charisma nachgesagt. Dieses Manko gleicht er durch strategisches Denkvermögen aus.

Gefährliche Ableger

Eine immer wichtigere Rolle in Zawahiris Plänen nehmen die zahlreichen lokalen Ableger ein: je geschwächter die zentrale Führung in Afghanistan und Pakistan, desto bedeutender die Filialen im Jemen, dem Irak und Nordafrika. "Es ist gut möglich, dass in zehn Jahren der Kern von Al-Kaida marginalisiert ist oder gar nicht mehr existiert, aber die Bedrohung durch die lokalen Gruppen wird weiter bestehen", meint McCants im Gespräch mit derStandard.at.

Die Filialen beweisen schon jetzt ihre Schlagkraft. Der irakische Arm von Al-Kaida hat erst kürzlich durch zahlreiche schwere Anschläge in Bagdad ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben. Außerdem gibt es Befürchtungen, dass die irakische Terrorgruppe auch in dem von Unruhen erschütterten Syrien aktiv ist.

In Nordafrika profitiert die algerisch dominierte Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) von der Waffenschwemme, die dem Zusammenbruch des Gaddafi-Regimes in Libyen folgte. Und in Somalia haben sich Teile der radikalislamischen Al-Shabaab-Bewegung der globalen Terrororganisation angeschlossen.

Al-Kaidas "Nation Building"

Als der gefährlichste Ableger gilt jedoch Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP). Die Gruppe ist eine der ältesten und aktivsten Filialen des Terrornetzwerks. Zahlreiche Anschlagsversuche gehen auf ihr Konto: Im Westen werden der Gruppe sowohl die vereitelten Paketbombenanschläge in Chicago 2010 als auch der fehlgeschlagene Versuch, eine Passagiermaschine in Detroit im Dezember 2009 zum Absturz zu bringen, zur Last gelegt.

Zuletzt lag der Fokus von AQAP jedoch auf dem Jemen, der geplagt durch lokale Auseinandersetzungen und eine schwache Regierung ideale Bedingungen bietet. Teile des Südjemen stehen mittlerweile unter der Kontrolle des jemenitischen Zweigs der Terrororganisation. Al-Kaidas "Nation Building" nennt McCants das in einem kürzlich veröffentlichten Artikel.

Die genaue Art der Beziehung Al-Kaidas zu ihren unterschiedlichen Ablegern ist nicht bekannt. Allerdings weiß man aus dem privaten Briefverkehr zwischen Zawahiri und dem irakischen Zweig, dass die Kern-Al-Kaida in Pakistan keine Befehle an ihre lokalen Partnerorganisationen gab. Vielmehr belegen "Ratschläge" Zawahiris den informellen Charakter der Zusammenarbeit.

Mehr Drohnen

Die USA reagieren auf die verstärkt dezentrale Bedrohung mit noch mehr Drohnenangriffen. Die Regierung von Präsident Barack Obama hat im April die Befugnisse der CIA und des US-Militärs erneut ausgeweitet. Demnach dürfen nun auch Personen gezielt getötet werden, deren genaue Identität dem Geheimdienst nicht bekannt ist.

Für McCants ist diese neue Vorgehensweise bedenklich. Zwar spricht sich der Experte nicht prinzipiell gegen gezielte Tötungen von Al-Kaida-Anführern aus, die undifferenzierte Ausweitung von Drohnenangriffen ist für ihn aber eine Strategie, "die zu neuen Problemen und Konflikten führen kann, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen könnten". (Stefan Binder, derStandard.at, 2.5.2012)