Wenn Männer Teilzeit arbeiten, dann meist zur "Selbstverwirklichung", sagt Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Frauen dagegen müssten "das wirkliche Leben unter einen Hut bringen".

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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) möchte den unter Schwarz-Blau eingeführten Rechtsanspruch auf Teilzeit bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes neu verhandeln - und am liebsten auf vier Jahre verkürzen: "Wann immer ich Betriebsbesuche mache, höre ich, dass die lange Dauer der Elternteilzeit sehr herausfordernd ist für die Arbeitgeber", sagt sie im Interview mit dem STANDARD. "Man muss besprechen, ob dieser Rechtsanspruch noch zeitgemäß ist."

Derzeit endet mit dem vierten Lebensjahr des Kindes der Kündigungsschutz. Heinisch-Hosek will den Rechtsanspruch auf Teilzeit an diese Frist anpassen: "Darüber möchte ich diskutieren."

STANDARD: Die SPÖ-Frauen haben den Tag der Arbeit zum Tag der Vollzeitarbeit erklärt. Warum?

Heinisch-Hosek: Wir haben in den letzten Monaten festgestellt, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen gestiegen ist, besonders stark die Teilzeiterwerbstätigkeit. Bei über 44 Prozent stimmt irgendetwas nicht. Viele Frauen fühlen sich schlecht bis gar nicht informiert, welche Folgen Teilzeit haben kann. Ich verhandle gerade ein Fünf-Punkte-Paket für Teilzeit mit dem Sozialminister.

STANDARD: Was soll in dem Paket drin sein?

Heinisch-Hosek: Unbedingt, dass wir die Unternehmen verpflichten, dass sie, wenn eine Vollzeitstelle ausgeschrieben wird, die Teilzeitkräfte zuerst informieren müssen. Dann Information über den Zuschlag für Überstunden und den Anspruch auf Zeitausgleich. Man könnte außerdem im Arbeitszeitgesetz verankern, dass der Arbeitgeber fragen muss, ob man aufstocken möchte, wenn man über mehrere Monate etwa trotz 20-Stunden-Vertrags 25 Stunden arbeitet. Und ich bin für eine soziale Staffelung der Pendlerpauschale, da haben Teilzeit arbeitende Frauen Nachteile.

STANDARD: Teilzeitbeschäftigung ist für viele oft die Alternative zu gar keiner Beschäftigung, etwa weil es keine Kinderbetreuung gibt. Sind Ihnen Frauen, die 20 Stunden beschäftigt sind, nicht lieber als jene, die gar nicht arbeiten?

Heinisch-Hosek: Wenn schon Teilzeit, dann kurz. Es darf keine Dauerlösung sein, denn als Frauenministerin will ich für Frauen, dass sie von ihrem Einkommen leben können. Und wo sind denn Frauen teilzeitbeschäftigt? Im Handel, im Pflege- und Gesundheitsbereich, in der Gastronomie - also in Branchen, wo sie ohnehin nicht sehr gut verdienen. Man muss sich das Drumherum anschauen, keine Frage. Wenn der Kindergarten zu Mittag zusperrt, kann eine Frau gar keine Vollzeitarbeit annehmen.

In Österreich gibt es noch immer sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie lange ein Kind in einer Einrichtung sein darf und kann. Ich wünsche mir schon lange ein Bundesrahmengesetz für Kinderbetreuung mit gleichen Qualitätsstandards. Wir haben ein Frauenbarometer gemacht, und die Hälfte der 1000 befragten Frauen sagt nicht, ich will Teilzeit arbeiten, sondern ich kann nicht Vollzeit arbeiten, weil ich Kinder betreuen oder ältere Angehörige pflegen muss. Jede, die Teilzeit will, soll sie bekommen. Aber auch die will ich auf die Nachteile aufmerksam machen, vor allem bei der Pensionshöhe.

STANDARD: Bis zum siebten Lebensjahr eines Kindes gibt es den Rechtsanspruch auf Elternteilzeit. Halten Sie das für richtig?

Heinisch-Hosek: Die Elternteilzeit wurde von Schwarz-Blau eingeführt, und man muss sich jetzt einmal anschauen, wie sie gewirkt hat. Wann immer ich Betriebsbesuche mache, höre ich, dass die lange Dauer der Elternteilzeit sehr herausfordernd ist für die Arbeitgeber. Man muss besprechen, ob dieser Rechtsanspruch noch zeitgemäß ist. Mit dem vierten Lebensjahr des Kindes endet ja der Kündigungsschutz. Diese beiden Fristen parallel zu schalten wäre eine Möglichkeit.

STANDARD: Der Rechtsanspruch auf Teilzeit soll also vom siebten Lebensjahr des Kindes auf das vierte reduziert werden.

Heinisch-Hosek: Genau, darüber möchte ich diskutieren.

STANDARD: Wäre es Ihnen recht, wenn mehr Männer Teilzeit arbeiten würden?

Heinisch-Hosek: Es gehen sehr wenige Männer in Teilzeit, und wenn, dann nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern weil sie sich weiterbilden. Männer machen es zur Selbstverwirklichung, Frauen müssen das wirkliche Leben unter einen Hut bringen. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass unsere Kinder möglichst schnell in gute Betreuungseinrichtungen kommen und beide Eltern arbeiten können, damit sie ihren Lebensstandard erhalten oder verbessern können.

STANDARD: Die ÖVP pocht beim Familienthema sehr auf Wahlfreiheit. Setzen Sie nun auf Lenkung?

Heinisch-Hosek: Die echte Wahlfreiheit gibt es meiner Ansicht nach nicht. Wer behauptet, dass alles geht, behauptet das wider besseres Wissen. Ich bin ein Fan des Vorschlags von Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung, dass man die Familienförderung so umbaut, dass man Geld freibekommt für den Ausbau der Kinderbetreuung: Darüber sollten wir reden, damit echte Wahlfreiheit möglich wird.

STANDARD: Also weniger Geld- und mehr Sachleistungen?

Heinisch-Hosek: Absolut. Wir haben da das Missverhältnis 90 zu zehn. Wenn man Steuererleichterungen für Familien streicht, die oft ohnehin nicht abgeholt werden, dann wäre viel Geld frei für den Ausbau von Betreuungseinrichtungen, die der Bund bezahlen könnte.

STANDARD: Sehen Sie bei der ÖVP Bewegung?

Heinisch-Hosek: Mittlerweile sollten alle erkannt haben, dass wir das Potenzial von Frauen ökonomisch nutzen müssen. Auch deshalb verstehe ich die Mutter-bleib-beim-Kind-Mentalität nicht.

STANDARD: Gibt es die bei der ÖVP?

Heinisch-Hosek: Wenn ich mir Kindergärten-Öffnungszeiten in einigen Bundesländern anschaue, muss ich sagen: Ja. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 2.5.2012)