Roman Mählich (li.) und Georg Pangl unterhalten sich angeregt im Keller. Natürlich über den Fußballsport.

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Wien - Da der Stammtisch im Keller vom Wirtshaus Holunderstrauch quasi eine Immobilie ist, haben Georg Pangl und Roman Mählich Pech gehabt. Es ist ziemlich heiß in der Wiener Schreyvogelgasse. Im relativ kleinen Schanigarten wäre sogar ein relativ großer Tisch frei gewesen. Sicher nicht, sagt der STANDARD, die Sonne scheint jetzt für andere. Im Jänner oder Februar wäre das nie eine Überlegung oder Diskussion gewesen. Stammtische sind die letzten Relikte oder auch Rückzugsgebiete in einer zur Hektik neigenden, von Krisen gebeutelten Welt. Die verlegt man nicht. Ab in den Keller. Pangl sollte später sagen: "Fußballstadien sind einer der letzten analogen Plätze in einer digitalen Welt."

Die beiden kennen einander gut. Die Begrüßung findet auf der Straße statt. Das liegt daran, dass sie pünktlich und somit gleichzeitig eintreffen. Pangl hat später noch einen Termin, das erklärt Anzug und Krawatte. Mählich hat diesen Stress nicht. Sie bestellen, ohne sich abzusprechen, Apfelsaft gespritzt. Der STANDARD gestattet große, damit der Wirt nicht zweimal rennen muss. Soda- statt Leitungswasser ist eine Selbstverständlichkeit. Eine Anfütterung lehnen sie dankend ab. Das Brotkörberl mit den Salzstangerln drin, also ein Salzstangerlkörberl, wird aber schon geleert.

Mählich: "Die Liga war vergangenes Jahr schon schlecht, heuer ist sie noch viel schlechter"

Mählich sitzt entspannt da, geht in medias res. "Die Liga war vergangenes Jahr schon schlecht, heuer ist sie noch viel schlechter." Als für den ORF tätiger Analytiker liefert er die Erklärungen nach. " Jahrelang haben wir geraunzt, dass wir zu wenige Spieler im Ausland haben. Jetzt hamma die gesamte Nationalmannschaft im Ausland und zahlen den Preis. Und gute Legionäre sind auch nicht mehr da. Die sind zu teuer, außerdem ist unsere Liga für sie völlig uninteressant. Es fehlen Infrastruktur und die Anerkennung in Europa." Pangl erhebt Einspruch, kraft seines Amtes ist er dazu verpflichtet. "Vom Gefühl her könnten manche Partien natürlich besser sein, natürlich haben wir viele Spieler mit Qualität verloren. Aber die Uefa-Fünfjahreswertung verheißt das Gegenteil. Wir verbessern uns, haben bald fünf Starter, die halbe Liga, im Europacup." Mählich: "Darum beneidet uns dann die ganze Welt. Überschätzen wir bitte die Europa League nicht." Pangl: "Ich überschätze sie eh nicht."

Der Bundesliga-Vorstand "kann nur schauen, dass das Image passt. Wir sind eine Dachmarke, können nur gemeinsam auftreten, dürfen nicht größenwahnsinnig werden." Andererseits dürfe man den Kopf nicht in den Sand stecken. "Die Jugendarbeit funktioniert, sie ist nachhaltig und alternativlos. Wir müssen neue Junuzovics produzieren. Die Vereine wirtschaften vernünftig, bei der Lizenzierung gibt es kaum Probleme. Die Hausaufgaben werden erledigt. Ziel kann nur sein, auf gesunden wirtschaftlichen Beinen einen halbwegs guten Fußball zu spielen." Mählich sieht an der "absolut notwendigen" Jugendarbeit einen Haken. " Früher oder später werden die besten 15-Jährigen wegengagiert. Man muss sogar den Sinn des Österreichertopfes infrage stellen. Er droht zu einer Startplatzgarantie für mäßig begabte Kicker zu werden."

Mählich hat einst bei Sturm Graz die Drecksarbeit verrichtet, er schaffte Raum für das aus Ivica Vastic, Hannes Reinmayr und Mario Haas bestehende legendäre magische Dreieck. Pangl: "Mit dir war es ein magisches Viereck." Mählich: "Das ist mir jetzt peinlich." Dass Hannes Kartnig einst nicht wirklich vernünftig gewirtschaftet hat und den Verein quasi in den Bach geschmissen hat, "haben wir Spieler echt nicht gemerkt. Aber lassen wir die Vergangenheit."

"Wenn Fußball Thema ist, dann geht es um David Alaba"

Die Gegenwart sind sinkende Zuschauerzahlen. Pangl: "Das ist erklärbar, es sind zuletzt kleinere Vereine aufgestiegen. Das muss man akzeptieren, sie haben es sportlich verdient." Der Wirt, der übrigens Rapid äußerst zugetan ist, registriert einen inhaltlichen Wandel. "Früher sind die Leute an der Schank gestanden und haben stundenlang über unseren Fußball diskutiert. Die Luft ist draußen. Jetzt reden's über Dancing Stars. Und wenn der Fußball das Thema ist, dann geht es um David Alaba."

Pangl weiß, dass die Infrastruktur verbesserungswürdig ist. Nicht jene vom Holunderstrauch, die der Vereine, der Stadien. "Nur eine Wurst essen ist dem Fan zu wenig." Menschen haben oft seltsame, wiederkehrende Träume, der von Pangl ist nicht uninteressant. "Ich gebe den Traum nicht auf, dass alle Vereine Rasenheizungen und eine gute Infrastruktur haben." Wacht er auf, denkt er sich: "Trotz aller Kompromisse ist das machbar." Mählich: "Die Arbeitsbedingungen sind teilweise ein Wahnsinn. Du sitzt als Reporter irgendwo auf einem Turm, der Wind bläst, du erfrierst halb. Oder die Sonne blendet, du siehst nichts und musst analysieren." Pangl: " Ich weiß, das gehört verbessert."

Mählich spricht die Fankultur in Österreich an. "Die ist teilweise sehr tief." Pangl: "Ich weiß, das gehört verbessert. Alle Vereine müssen daran interessiert sein, dass die besonders Verhaltensauffälligen, die schwarzen Schafe, aus den Stadien verbannt werden. Irgendwann wird das gelingen."

Und irgendwann sollte die Nationalmannschaft Spiele gewinnen, sich für ein Großereignis qualifizieren. Pangl und Mählich: "Dann geht es stimmungsmäßig aufwärts, dann starten wir durch." Der Bundesliga-Vorstand muss weg. Mählich darf gnadenhalber rauf in den Schanigarten, bekommt ein Seidl Bier serviert. Pangl sagt noch: "Leider muss man auch am Stammtisch manchmal Diplomat sein. Du verstehst. Aber wir werden Schritt für Schritt weiterkommen. Das ist nicht spektakulär, aber man wird es merken." Mählich versteht. "Wir sitzen alle in einem Boot." (Christian Hackl, Benno Zelsacher, DER STANDARD, 4.5.2012)