Da waren zunächst die Kleiderschränke. Die Herren vom Werkschutz. Die mit dem wachen, grimmigen Blick. Eine echte Hürde beim Betreten des Werksgeländes der Audi AG in Ingolstadt. Handys abgeben, Kameras, Computer, Widerspruchsgeist, und jetzt Nackenhaar wieder entsträuben. Bitte schön. Dabei waren wir doch eingeladen, sozusagen hochoffiziell Werkspionage zu betreiben.
Einmal im Stammwerk der prosperierenden Marke, wurde der STANDARD-Emissär mit ein paar auserwählten europäischen Kollegen per VW-Bus so lange labyrinthisch kreuz und quer zum Bestimmungsort manövriert, dass an eine spätere präzise Ortung nicht zu denken ist - immerhin kriegt man dabei mit, wie enorm viel hier um- und neugebaut wird, um die Voraussetzungen für weiteres dramatisches Wachstum zu schaffen.
Man zeige uns nun, kündigten die für den Workshop zuständigen Audianer an, Bereiche der Qualitätssicherung, die kein Nichtaudianer sonst je zu Gesicht bekomme. Es gehe um den A3, es gehe um die entscheidenden Schritte vor der Produktionsserienreife.
Schritt für Schritt
Weil besonders spannend, greifen wir den Bereich "Meisterböcke" raus. Flapsig formuliert: Null Bock geht nicht, bei Audi haben sie voll Bock auf Meister. Noch bevor's in die Vorserie geht, entsteht das Auto Schritt für Schritt auf dem Innen- und Außenmeisterbock, hier wird in einem sisyphushaft anmutenden Prozess "die Messlatte jeden Tag höher gelegt".
Die Kunst der Fuge ist seit den Tagen Bachs eine spezifisch deutsche Angelegenheit, Ferdinand Piëch hatte sie als Merkmal sichtbarer Qualität im Automobilbau eingeführt, es geht um Spaltmaße, je geringer, desto kundenimposanter, und die Nullfuge - bei der Karosserie des A3 etwa zwischen Stoßfänger und Seitenwand realisiert - ist der Gipfel dieser Kunst, da passt kein Blatt Papier mehr zwischen die Bauteile, die noch dazu aus unterschiedlichsten Materialien (Stähle, Alu, Magnesium, Kunststoffe) bestehen.
Überhaupt ist es eine Welt in Zehntelmillimetern, die man hier kennenlernt, wie bei den Uhrmachern. Allein in der 1000 m² großen Außenmeisterbock-Halle optimieren 20 Mitarbeiter auf Serie hin, 5500 Messpunkte werden abgearbeitet, ab neun Monate vor Serienstart. Der Aufbau eines Meisterbocks - hier werden die vorher vermessenen Teile der Karosserieaußenhaut und deren Anbauteile (Türen etc.) auf einem Gestell aus massiven Aluminiumprofilen aufgebaut - dauert zwei Wochen.
Immer wieder schauen die Vorstände rein, begutachten die Fortschritte. Jede kleinste Veränderung bedeutet neue Kosten, neues Schleifen und Zubereiten der sündteuren Werkzeuge, sechs Durchgänge und mehr vom Einzelteil bis zum Gesamtfahrzeug sind oft nötig, bis die Weichen auf Serienstart stehen. Respekt. Und pfüat Ihnen, Herr Werkschutz!
Wie sich so viel Vorarbeit auf den neuen A3 auswirkt, verraten wir Ihnen dann Ende Mai. Sobald wir das Auto gefahren sind. (Andreas Stockinger, Automobil, DER STANDARD, 4.5.2012)