29 Meter führt einen der für knapp vier Personen bemessene Aufzug in die Tiefe herab. Unten angekommen lächelt den Besuchern eine Überwachungskamera entgegen. Hinter ihr führt ein Stollenschacht weit ins Innere des 500 Millionen Jahre alten Höhenkogel in Kapfenberg, bevor man 150 Meter unter Fels auf die nächste schwere Sicherheitstür stößt. Dahinter verbirgt sich das "earthDATAsafe"-Rechenzentrum des österreichischen IT-Dienstleisters Kapsch. Es ist das "sicherste Datenzentrum Österreichs", versichert Jochen Borenich, COO Kapsch BusinessCom - geschützt durch massiven Gneis, komplett abgeschottet von sämtlichen Einflüssen der Außenwelt. 

Das kommt nicht von ungefähr. Die 2008 in Betrieb genommene Anlage ist eine ehemalige, unterirdische Waffen-Produktionsstätte der Nationalsozialisten. Zwischen 1943 und 1945 mit Zwangsarbeitern erbaut, konnte der 8.500 Quadratmeter große Bunker seinen kriegerischen Zweck jedoch nie erfüllen. Und so stapeln sich heute keine alten Waffen, sondern Server und Millionen sensible Daten in den Hallen...

Nach außen hin ist das Rechenzentrum lediglich durch das Kontrollzentrum zu erkennen. Drei Techniker warten hier die Systeme, weitere elf Mitarbeiter sind für die Überwachung zuständig. Rund 50 Unternehmenskunden vertrauen dem Komplex ihre Daten an. Dazu gehört beispielsweise der Bankomat-Dienstleister PayLife oder die Österreichische Volksbank. Kapsch versteht sich dabei als Komplettanbieter. Man verkauft keinen Speicherplatz, sondern Systemlösungen (Schlagwort: Cloud-Computing) und Wartung - ein Geschäft, das auf langfristige Partnerschaften abzielt. Gewinne dürfe man sich im ersten Jahr nicht erwarten, so Borenich.

Foto: Zsolt Wilhelm

Das gesamte Zentrum ist den internationalen Standards nach durchgehend redundant aufgesetzt. Direkt an der Autobahn gelegen, speisen Glasfaserleitungen von zwei unterschiedlichen Telekom-Anbietern das Netz. "Datenübertragung war vor fünf Jahren noch ein Problem, heute ist das kein Thema mehr."

Sollte die Stromzufuhr unterbrochen werden, fangen Akkus den Ausfall ab, bis innerhalb weniger Minuten zwei Dieselgeneratoren anspringen.

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Acht Sicherheitszonen gliedern das Rechenzentrum in seine einzelnen Bereiche. Mitarbeiter hinterlassen beim Betreten und Verlassen eines Raumes eine Signatur, um im Ernstfall erfassen zu können, wer zuletzt vor Ort war.

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Jeder Winkel wird mit Videokameras überwacht. Um die Sicherheit der Angestellten kümmern sich Sensoren zur Messung des Sauerstoffgehalts sowie Brandschutzsysteme. Zusätzlich wird alles vom Standort in Wien fernüberwacht.

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Autohersteller Mercedes hatte den Bunker 2002 für sich entdeckt und insgesamt 30 Monate in Planung und Ausbau investiert. Bis zur Übernahme durch Kapsch diente er unter anderem zur Sicherung von Bauplänen für Militärfahrzeuge.

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Kapsch musste die Infrastruktur daher nicht von Grund auf neu konzipieren, einen Millionenbetrag im einstelligen Bereich habe man dennoch investiert.

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Abseits von ein wenig Feuchtigkeit und Kalk müssen unter dem massiven Gneis keine Umwelteinflüsse berücksichtigt werden. Waldbrände, Unwetter (und einst Kanonenbeschuss) sollen keine Auswirkungen auf die Sicherheit haben.

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Virtuelle Angriffe durch Hacker gehören zum Alltag eines jeden Rechenzentrums. Bislang seien diese aber erfolglos geblieben, so Borenich. Eine vierstufige Firewall schützt vor ungewollten Eindringlingen.

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60 Prozent des Stollen werden aktuell genutzt. Durch die laufende Verdichtung von Serverhardware drohe aber so schnell keine Komplettauslastung.

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Die Server-Racks sind in stabilen, überwachten und gut gekühlten Containern untergebracht. Wie viele Daten in den sechs belegten Stollen schlummern, sei nur schwer zu sagen. Derzeit nähere man sich einem Petabyte an. Im Vergleich zu Anbietern wie Amazon mag dies wenig erscheinen, doch im earthDATAsafe werden vor allem Datenbanken gehostet.

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Welche Plattformen und Systeme eingesetzt werden, stelle Kapsch frei. Theoretisch können Unternehmen ihre Hardware auch selbst warten, was aber zumeist Teil einer Komplettvereinbarung ist.

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Im Inneren der Container ist das Fotografieren verboten.

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Zwei Notausgänge führen ans Tageslicht. Der eine Schacht wird überdies zur Anlieferung von Hardware, Baumaterialien oder Diesel genutzt.

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Im Bild: Einer der zwei Dieselgeneratoren. Der zweite befindet sich unterirdisch.

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Die Stollen sind durch ein Schleusensystem voneinander getrennt.

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Knapp ein Kilometer des Stollens ist vollständig ausgebaut.

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Die größte Herausforderung bei Datenzentren sei die Kühlung der Rechenanlagen. Vollautomatische Belüftungssysteme leiten die Wärme in den Containern ab und führen frische Luft zu. Der gesamte Bunker ist je nach Jahreszeit auf 18 bis 23 Grad Celsius temperiert.

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Laut Borenich komme hier die besondere Lage zugute. Unterirdisch sind die Temperaturschwankungen geringer. So habe man auch im Hochsommer nicht mit dramatischen Temperaturen zu kämpfen.

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Was bei einem Notfall wie einem Stromausfall passiert, testet Kapsch indes monatlich. Einen Brandfall habe es noch nie gegeben und der Komplex befände sich überdies auf keiner Erdbebenlinie. "Wir hatten auch noch nie einen Einbruch", versichert Borenich. Die schusssicheren Türen und dutzenden Kameras könnten damit zu tun haben. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 4.5.2012)

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