Da hatte die Unesco den Kongress zum Welttag der Pressefreiheit ausgerechnet nach Tunesien verlagert - aus symbolischen Gründen, um den Arabischen Frühling vor einem Jahr zu würdigen, wie Unesco-Chefin Irina Bokowa und die US-Vizeaußenministerin Esther Brimmer wiederholt betonten. Und dann das: Schlechter sei die Arbeitssituation im Medienbereich geworden, klagen tunesische Journalisten. Ein Kollege von Radio Monastir, der so wie andere seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, verweist auf zwei neue Gesetze, die die Pressefreiheit massiv einschränkten. "Früher war alles klar: jetzt setzen sich die stärkeren durch", meint eine Journalistin von einem staatlichen Radiosender.

Viele könnten mit den neuen Möglichkeiten nicht umgehen, beschreibt Rana Sabbagh die Situation in arabischen Ländern nach den Revolutionen. Sie ist die Direktorin des Netzwerks "Arabische Reporter für investigativen Journalismus" mit Sitz in Amman, das Kurse in neun Ländern in der Region anbietet. "Früher haben die Journalisten PR gemacht, jetzt müssen sie selbst recherchieren." Vor allem Korruption sei ein Thema. Ihre Hoffnungen ruhen auf jungen Journalisten und Frauen, die hätten "kein so großes Ego und wollen tiefer graben".

Einschüchterungsversuche an der Tagesordnung

Dass Bedrohungen zunehmen, berichten irakische Kollegen. Ein Onlinejournalist, der sich auch für eine Pressefreiheitsorganisation engagiert, berichtet von fast alltäglichen Einschüchterungsversuchen. Erst vor zwei Tagen habe er einen Anruf erhalten mit der Drohung: "Wir schneiden dir die Zunge ab. So bringen wir dich zum Schweigen." Wie geht man damit um? "Wenn es ganz schlimm wird, dann tauche ich für ein, zwei Wochen unter. Und fange dann wieder an." Mehr als 300 Vorfälle gegen Journalisten hat er im vergangenen Jahr im Irak registriert. Er kämpft für eine Verfassungsbestimmung zum Schutz der Pressefreiheit.

Völlig schutzlos sind Journalisten dagegen in Syrien. Das Regime habe eine "elektronische Armee" im Einsatz, die systematisch vorgehe, Software zum Spionieren einschleuse, wie Abu Majeed, "Cybersecurity Officer" in der Information Security Coalition, berichtet. "Man muss sagen: Die machen einen guten Job, sodass wenig nach außen dringt." Das zweitrigoroseste Land sei Bahrein.

Bekenntnis der Politik

Überraschend selbstkritisch äußerte sich dann Tunesiens Präsident Moncef Marzouki: "Es gibt in Tunesien noch keine volle Freiheit. Wir haben noch einen langen Weg vor uns." Er stelle aber auch infrage, ob die Medien ihre Sache im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Schutz der Persönlichkeitsrechte gut machten. "Aber wir fürchten nicht die freien Medien, wir fürchten die verantwortungslosen Medien." (afs, DER STANDARD, 5./6.5.2012)