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US-Außenministerin Clinton und der chinesische Vize-Premier Wang Qishan beim Wirtschafts gipfel am Freitag in Peking. Trotz politischer Krise kamen sich die Länder in Wirtschafts fragen näher.

Foto: Reuters/Lee

Damit scheint eine dauerhafte Krise zwischen den Supermächten abgewendet.

 

Im dramatischen Tauziehen zwischen den USA und China um eine Ausreise des blinden Bauernanwalts Chen Guangcheng zeichnete sich am Freitag eine pragmatische Lösung ab. Sie kam in buchstäblich letzter Minute zustande, bevor der Fall zur dauerhaften Krise in den Beziehungen der beiden Supermächte eskalieren konnte. Pekings Behörden erlauben Chen nun, sich wie andere private Bürger der Volksrepublik für ein Auslandsstudium in den USA zu bewerben. Schon in den kommenden Wochen sollen er und seine Familie die notwendigen Papiere für eine Ausreise erhalten, während US-Hochschulen Chen eine Einladung ausstellen werden.

Der überraschenden Lösung war eine abenteuerliche Flucht des 40 Jahre alten, blinden Sozialaktivisten vorausgegangen. Mithilfe weniger Freunde war er aus seinem Hausarrest im Bauerndorf in die Obhut der 300 Kilometer entfernten Pekinger US-Botschaft geflohen. Nach einer zäh verhandelten Vereinbarung der US-Diplomaten mit Chinas Außenministerium wurde er in einem chinesischen Spital untergebracht.

Die US-Botschaft hatte Chen am Mittwoch unmittelbar vor Beginn einer zweitägigen Pekinger Gipfelkonferenz zwischen China und den USA verlassen, die auf US-Seite von Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner geleitet wurde. Der Bauernaktivist fühlte sich dann plötzlich von den USA im Stich gelassen und Chinas Behörden ausgeliefert. Er machte in Telefonaten mit der Weltpresse den US-Diplomaten schwere Vorwürfe. Der Fall des Dissidenten überschattete nicht nur den hochrangigen Gipfel in Peking, sondern schaukelte sich zur schweren Belastung der Beziehungen zwischen beiden Ländern hoch.

Krisendiplomatie hinter verschlossenen Türen führte nun offenbar zu dieser für Chinas Politik gesichtswahrenden Lösung. Am Freitagnachmittag stand auf der Webseite des Außenministeriums plötzlich eine Frage, die angeblich ein nicht genannter Journalist an das Amt gestellt hatte, Wie würde sich Peking dazu verhalten, wenn Chen im Ausland studieren wollte? Die Behörde antwortete: Als Bürger Chinas kann Chen - wie jeder andere - sich darum bewerben und die Formalitäten dafür erledigen. Die Nachricht wurde sofort von Chinas Nachrichtenagentur Xinhua verbreitet. Innerhalb von Minuten ging sie um die Welt.

Hillary Clinton "ermutigt"

Sichtlich erleichtert begrüßte Hillary Clinton am Freitagabend nach Abschluss des Gipfeltreffens vor Journalisten Pekings Ankündigung, den Bürgerrechtler zum Studieren ausreisen zu lassen. "Wir fühlen uns von diesem Fortschritt ermutigt. Aber es ist noch viel zu tun. Wir bleiben in dem Fall engagiert," sagte Frau Clinton.

Sie wies Kritik an schweren diplomatischen Fehlern ihrer Diplomaten in den Verhandlungen über das Schicksal Chens zurück. Clinton: "Wir haben uns klar und bestimmt" bei allen Bemühungen für Chen nach "seinen Wünschen und unsere Werten" gerichtet. US-Botschafter Gary Locke und andere Diplomaten konnten am Freitag Chen wieder im Krankenhaus besuchen, der ihnen persönlich bestätigte, ausreisen zu wollen. Clinton sagte, es sei bei allem nicht um den bekannten Aktivisten gegangen, sondern um die grundsätzliche Frage von Menschenrechten.

US-Finanzminister Timothy Geithner, der nach der Außenministerin sprach, erklärte schließlich noch, er sehe eine positive Bewegung auch bei einem der großen Finanz-Streitpunkte der USA mit China. Dabei geht es um die Frage, ob Peking seine Währung manipuliert, um sich Handelsvorteile zu verschaffen. Dank einer flexibler geworden Währungspolitik habe sich Chinas unterbewertete Währung in den vergangenen 22 Monaten um real 13 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet. Das wirke sich entspannend auf eine ausgeglichener werdende Handelsbilanz aus. Peking müsse aber noch mehr tun.

Weiters signalisierte Peking auf dem Gipfel laut Diplomaten die Bereitschaft, seinen Kapitalmarkt öffnen zu wollen. Peking werde ausländischen Firmen einen größeren Zugang zum heimischen Wertpapierhandel gewähren, hieß es von US-Vertretern. (Johnny Erling aus Peking /DER STANDARD, 5.5.2012)