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Khalid Sheikh Mohammed und ein Mitangeklagter auf einem Bild von Janet Hamlin.

Foto: Janet Hamlin, Pool/AP/dapd

Die Angeklagten schwiegen oder beteten. Das bizarre Szenario wurde in sieben Kasernen übertragen.

 

Nichts, kein Wort, nicht einmal eine Silbe. Schweigend sitzt Khalid Scheich Mohammed auf seinem Stuhl, ohne den Richter auch nur eines flüchtigen Blickes zu würdigen. Mal lässt er die Finger durch seinen langen, hennarot gefärbten Bart gleiten, mal setzt er eine Lesebrille auf und beugt sich nach rechts zu Gerichtsakten. Die meiste Zeit sitzt er reglos da, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Er trägt weites, weißes Gewand, auf dem Kopf ein zum Turban gewickeltes Tuch.

Bei früheren Anhörungen war Mohammed, nach eigenen Worten der Dirigent der Anschläge des 11. September 2001, fast übergesprudelt, hatte regelrecht geprahlt mit seinen Attentatsplänen. Diesmal will er durch eisernes Schweigen demonstrieren, dass er das Verfahren für unfair hält.

Mit gut einer Viertelstunde Verspätung beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher der Terrorattacken und vier Mitangeklagte. Vom Flottenstützpunkt Guantánamo auf Kuba, wo er über die Bühne geht, werden Bilder in sieben Kasernen auf dem US-Festland übertragen. Eine davon ist Fort Meade, der Sitz der NSA, des militärischen Nachrichtendienstes in der Nähe Washingtons. Ein Kino mit 400 Plätzen, nur ein Drittel davon besetzt. Vorn links trennen Stoffwände den Bereich ab, in dem Angehörige der Anschlagsopfer unter sich bleiben können - er bleibt leer.

Als die Kamera in Guantánamo von James L. Pohl, dem zuständigen Militärrichter, in den Gerichtssaal schwenkt, sieht man einen mit Gurten an seinen Stuhl gefesselten Mann. Walid Bin Attasch, aus dem Jemen stammend, hatte sich kurz zuvor aufgelehnt gegen seine Bewacher und musste zur Teilnahme gezwungen werden. Deshalb die Fesseln, die Pohl erst entfernen lässt, als Attaschs Anwalt verspricht, sein Klient werde sich fortan gebührend benehmen. Dann dreht sich der Streit um Kopfhörer. Die Angeklagten sollen sie aufsetzen, um die Simultanübersetzung ins Arabische verfolgen zu können. Alle fünf legen sie bald ab, auch dies eine Geste demonstrativen Desinteresses. Daraufhin ordnet der Richter an, jede Englischpassage nach ein, zwei Sätzen ins Arabische zu übersetzen. "Ich kann meinen Mandanten nicht sinnvoll verteidigen, wenn ich wie ein Roboter sprechen muss", beschwert sich David Nevin, der Anwalt Mohammeds.

Protest gegen Folter

Zeitweise sind es chaotische Szenen, die sich in dem streng bewachten Gerichtsgebäude abspielen. Einmal steht Ramsi Bin AlSchibh, der Hamburger Zelle um Mohammed Atta zugeordnet, unvermittelt auf und betet, erst aufrecht, dann kniend, schließlich mit der Stirn auf dem Boden. Wann immer der Richter die fünf anspricht, reagieren sie nicht. "Der Angeklagte verweigert die Antwort", konstatiert er jedes Mal. Es gebe einen Grund für die Abwehrhaltung, sagt Nevin, "es hat mit Folter zu tun". Mohammed wolle dagegen protestieren, wie er nach seiner Verhaftung 2003 behandelt worden sei, erst in geheimen CIA-Gefängnissen, dann in den Einzelzellen Guantánamos.

In einer Kaserne in Brooklyn sehen ungefähr 50 Hinterbliebene die Übertragung, darunter Jim Riches, dessen Sohn Jimmy mit seinem Löschtrupp beim Einsturz der Zwillingstürme ums Leben kam. Lächerlich sei das Spektakel, sagt der pensionierte Feuerwehrmann nach dem 13-Stunden-Marathon des ersten Verhandlungstages, "es sieht so aus, als würde dies ein sehr langer Prozess". Die nächste Anhörung ist im Juni. (Frank Herrmann aus Fort Meade /DER STANDARD, 7.5.2012)