Seit langem gab es in Serbien keinen derartigen Konsens politischer Parteien über die großen, nationalen Fragen: (Fast) alle wollen nach Europa, keine einzige will die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen, und alle schwören sie auf eine friedfertige Politik.

"Sollte Serbien vor die Wahl gestellt werden, den Kosovo anzuerkennen oder Mitglied der EU zu werden, werden wir auf die EU verzichten müssen", verkünden sowohl die Demokratische Partei (DS) von Boris Tadic als auch die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Tomislav Nikolic. Die in moderate Europäer konvertierten Ex-Ultranationalisten der SNS sind dermaßen salonfähig geworden, dass es in Brüssel keine Befürchtung gibt - wie bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren - , dass Serbien nach der Bildung der neuen Regierung vom europäischen Kurs abkommen könnte.

Doch es ist ein langer Weg, bis Serbien in die Reichweite der EU-Mitgliedschaft kommt. Die künftige Regierung muss gegen steigende Arbeitslosigkeit (mehr als 23 Prozent), Korruption, Verschuldung (mehr als 45 Prozent des BIPs) und die Rezession kämpfen. Der Kandidatenstatus, den Serbien Ende Februar bekommen hat, bedeutet praktisch wenig, wenn die EU-Kommission am 10. Oktober keine Empfehlung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen gibt. Die Bedingungen dafür sind die Fortsetzung des Dialogs zwischen Belgrad und Prishtina und die Umsetzung aller bisherigen Vereinbarungen. Außerdem wird die neue Regierung das politische System und vor allem die Justiz reformieren müssen.

OSZE betreute Wahllokale

Obwohl Serbien allgemeine Wahlen "auf seinem ganzen Territorium" ausgeschrieben hatte, wurden am Sonntag im Kosovo keine serbischen Kommunalwahlen abgehalten. Sowohl die Regierung in Prishtina als auch die EU-Mission Eulex und die Uno lehnten solche Wahlen als Einmischung in innere Angelegenheit es eines unabhängigen Staates ab. Doch wurden unter Obhut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Kosovo 90 Wahllokale geöffnet, in denen rund 109.000 Serben an den serbischen Präsidenten- und Parlamentswahlen teilnehmen konnten. Entgegen der Empfehlung Belgrads wurden in den serbischen Gemeinden Zvecane und Zubin Potok auch Kommunalwahlen abgehalten. (Andrej Ivanji aus Belgrad /DER STANDARD, 7.5.2012)