Passivhaus-Kindertagesstätte in Hannover. Der Klimaschutzfonds "proKlima" hat hier seit 1998 rund 750 Passivhaus-Wohneinheiten bezuschusst, außerdem über 50 Nichtwohngebäude im Passivhaus-Standard.

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Ernst Ulrich von Weizsäcker, Wolfgang Feist (v.l.): "Sanierungen mit schlechterer Qualität zementieren nur die schlechte Effizienz."

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Auf der 16. internationalen Passivhaustagung, die am Sonntag in Hannover zu Ende ging, wurde naturgemäß auch über die EU-Energieeffizienz-Richtlinie und über die Euro-Krise diskutiert. Fünf Milliarden Quadratmeter Wohnflächen in Nachkriegsbauten würden in Europa existieren, sagte Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts in Darmstadt und "Erfinder" des Passivhauses, in Hannover. Jeder dieser fünf Milliarden Quadratmeter weise einen Heizwärmeverbrauch zwischen 140 und 250 kWh pro Jahr auf.

Investitionsprogramm

Feist schlägt der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten deshalb vor, mit dem "größten Investitionsprogramm seit 60 Jahren" eine umfassende Energiewende in Europa herbeizuführen, "von der alle profitieren können".

Dieser Plan sieht im Detail folgendermaßen aus: Pro Quadratmeter Wohnfläche sollte eine Impulsförderung von 80 Euro für eine Sanierung mit mindestens 85-prozentiger Energieeinsparung (sog. "Deep Renovation") ausbezahlt werden. "Damit können in der EU innerhalb weniger Jahrzehnte alle Nachkriegsbauten auf zeitgemäßen Komfortstandard verbessert werden", so Feist.

Eine derartige Förderung mit einem Volumen von 400 Milliarden Euro würde ein Investitionsvolumen von rund drei Billionen Euro in Europa auslösen, ist sich Feist sicher. "Der öffentlichen Hand bringt das allein durch Umsatzsteuereinnahmen einen Rückfluss von 600 Milliarden. Für die Bewohner der so verbesserten Wohnbauten ergibt sich sogar eine Ersparnis von rund vier Billionen Euro an Energiekosten innerhalb der üblichen Darlehenslaufzeiten." Durch diesen Kaufkraftzuwachs werde die Wirtschaftsentwicklung nochmals gefördert.

Green Jobs und CO2-Einsparungen

Entscheidend sei, "dass dieses Investitionsprogramm europaweit konsequent nur für wirklich nachhaltige 'Deep Renovation' vergeben wird. Denn Sanierungen mit schlechterer Qualität zementieren nur die schlechte Effizienz", wie Feist betonte.

2,2 Millionen "Green Jobs" könnten mit diesem Plan geschaffen werden, außerdem würde dadurch die Atmosphäre um 530 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entlastet werden. "Mit diesen Maßnahmen verringert sich das Handelsbilanzdefizit um 4.000 Milliarden Euro, womit die Finanzkrise der EU nachhaltig entschärft wird", unterstrich auch Günter Lang, Pressesprecher der 16. Internationalen Passivhaustagung und langjähriger IG-Passivhaus-Österreich-Geschäftsführer, in einer Aussendung die Bedeutung des Masterplans.

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Keynote-Redner und Co-Vorsitzender des Ressourcen-Panels des UN-Umweltprogramms UNEP, ergänzte, dass die Idee des EU-Umweltkommissars Janez Potočnik und des EU-Finanzkommissars Algirdas Šemeta unterstützt werden sollte, Steuern auf Arbeit zu senken und auf Energie zu erhöhen, "bei Wahrung der sozialen Ausgewogenheit. Das wäre die richtige steuerpolitische Begleitmusik für den Energiewende-Masterplan."

Vorzeige-Region Hannover

Im kommenden Jahr wird die Passivhaustagung in Frankfurt/Main stattfinden. Dass heuer bereits zum zweiten Mal Hannover Austragungsort war, kam nicht von ungefähr: In der Region Hannover stehen bereits mehrere hundert Passivhäuser, in Hannover-Wettbergen entstehe derzeit etwa mit dem "zero:e park" eine von Europas größten Null-Emissions-Siedlungen mit 300 Passivhäusern.

Stark im Kommen seien außerdem Krankenhäuser im Passivhaus-Standard, wie die Passivhaustagung zeigte. Sieben derartige Projekte sind europaweit in Planung oder Bau, wie etwa in Österreich die Landeskliniken in Baden und Mödling oder das Bettenhaus des Spitals Triemli in Zürich.

Weltweit stehen mittlerweile bereits 40.000 Passivhäuser mit 20 Millionen Quadratmetern Nutzfläche. Den rund tausend Expertinnen und Experten aus 45 Nationen auf der Passivhaustagung wurden zahlreiche "Best-practice"-Modelle präsentiert, etwa die Passivhaus-Sanierung eines Community Centers in London mit 95 Prozent Energieeinsparung. Auch Beispiele aus San Francisco, Südkorea oder Brüssel wurden gezeigt, ebenso wie Verfahrens- und Produktneuheiten - beispielsweise ein zertifiziertes Passivhausfenster in historischer Optik, das speziell bei denkmalgeschützten Gebäuden zum Einsatz kommen soll. (red, derStandard.at, 7.5.2012)