BMW: Die Streik in Deutschland wirkt sich auch auf die österreichischen Produktion aus.

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Linz/Frankfurt - Die Streiks um die 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie ziehen nun auch das BMW-Werk in Steyr in Mitleidenschaft. Ab kommenden Montag bleiben dort Teile der Montage geschlossen, etwa 500 Mitarbeiter der insgesamt 2500 Beschäftigten müssen unfreiwillig zu Hause bleiben und konsumieren ihr früher angesammeltes Zeitguthaben. Die Tagesproduktion wird um etwa 70 Prozent reduziert.

Die Dauer der Produktionseinschränkungen könne man noch nicht einschätzen, hieß es am Donnerstag bei BMW, sie hänge von der Streiksituation in Berlin/Brandenburg ab. Auch der zu erwartende Schaden für das Unternehmen sei noch nicht zu beziffern. Da das Werk Steyr nicht nur an Abnehmer in Deutschland, sondern unter anderem auch nach Südafrika oder in die USA liefere, könnten Teile der Produktion aufrechterhalten werden.

Vorübergehende Schließung

Die BMW-Werke in München und Regensburg sollen vorübergehend geschlossen werden. Grund seien Probleme bei der Zulieferung, sagte ein Sprecher. Die Werksschließungen, von denen 20.000 Beschäftigte betroffen sind, seien ab Montag für unbefristete Zeit geplant und richten sich nach Streikdauer.

Der Kampf um die 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie dauert bereits seit mehr als zwei Wochen. Erklärtes Ziel der IG-Metall war, auch den Westen Deutschlands zu erreichen und die großen deutschen Autohersteller zu lähmen. "Wir fahren ein Streikkonzept, bei dem wir mit gebremstem Schaum sichtbar machen, dass es erhebliche Auswirkungen kriegen kann", sagte IG-Metall-Vizechef Jürgen Peters der Stuttgarter Zeitung.

Produktionsstopp kommt BMW teuer zu stehen

Der drohende Produktionsstopp kommt BMW nach Einschätzung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer teuer zu stehen. Ein Produktionsausfall der 3er-Reihe koste den Konzern etwa 38 Mio. Euro Umsatz pro Tag, schätzte der Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Der Gewinnausfall betrage nach seinen Berechnungen vier Mio. Euro täglich.

Mit den Streiks werde die Zuverlässigkeit der Zuliefer-Kette beschädigt, erklärte Dudenhöffer. "Damit werden BMW, aber auch die anderen Autohersteller, in Zukunft weitere Risikostreuungen in ihre Zulieferkette einbauen - zum Schaden der neuen Bundesländer." Mit dem Streik und der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche verschlechterten sich die Standortbedingungen in Ostdeutschland weiter.

Engagement im Osten unter der Lupe

BMW hat bereits angekündigt, sein Engagement in den neuen Bundesländern zu überprüfen. Der Konzern baut derzeit in Leipzig ein neues Werk. Dieses ist nach Angaben aus dem Konzern nicht gefährdet. Allerdings könne die Zahl der Arbeitsplätze am Ende geringer ausfallen, als ursprünglich geplant.

Nach Einschätzung Dudenhöffers würde die Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie bei den deutschen Zulieferern den Kapazitätsausbau in Ost-Europa beschleunigen. In den vergangenen fünf Jahren seien bereits nur 17 Prozent der neuen Kapazitäten in Deutschland geschaffen worden. Ursache seien die niedrigeren Arbeitskosten im Ausland bei gleichwertiger Arbeitsqualität. "Dies ist ein bedenkliches Zeichen für den Automobilstandort Deutschland und die zukünftigen Wirtschaftswachstumsraten." (APA/DER STANDARD Print-Ausgabe, 20.6.2003)