Zwei Männer haben sich dieser Tage ihrer Probleme mit der Justiz entledigt und damit für europäische Spitzenposten freigespielt: Der Gouverneur der Banque des France, Jean-Claude Trichet, kann nach seinem Freispruch Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden, Italiens Premier Silvio Berlusconi kann dank seines neuen Immunitätsgesetzes ohne Ablenkung durch Strafprozesse bis Jahresende die EU-Präsidentschaft leiten.

Doch mit den weißen Westen der beiden könnte man Waschmittelwerbung machen, so anders ist ihre Färbung. Trichet hat als Spitzenbeamter im französischen Finanzministerium bei dem Milliardenskandal um die Staatsbank Crédit Lyonnais sicherlich Fehler gemacht, doch trug er nicht die alleinige Verantwortung und hat sich selbst nicht bereichert. Das Strafverfahren gegen ihn war von Anfang an fragwürdig, der Freispruch eindeutig. Trichets Berufung zum Nachfolger von Wim Duisenberg beruht auf einem peinlichen politischen Deal zwischen Frankreich und Deutschland aus dem Jahr 1998, und ob er ein guter EZB-Chef sein wird, muss er erst beweisen. Aber rechtlich und ethisch spricht nichts mehr gegen ihn.

Berlusconi ist in seiner Unternehmerkarriere oft am Rande des Gesetzes gewandert, wie der Rattenschwanz von Prozessen gegen ihn und seine Vertrauten zeigt. Als Premier tat er alles, um die ohnehin schwerfällige Justiz weiter zu bremsen, und ließ sich schließlich ein Gesetz maßschneidern, das ihn vor Strafverfolgung schützt, solange er regiert. In anderen Ländern wäre das ein Fall von Amtsmissbrauch. Und für Europa bedeutet das nun einen EU-Präsidenten, für den nicht einmal mehr das Diktum aus Friedrich Torbergs "Tante Jolesch" gelten kann: "Wenn er nicht wär' anständig, möcht' man ihn einsperren." (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2003)