Wie massiv Google Adwords in den vergangenen Jahren gewachsen ist, lässt sich gut an Becks Praxisleitfaden "Google Adwords" veranschaulichen: Seit der Erstauflage 2008 ist das Buch von den ursprünglichen 300 auf über 800 Seiten angewachsen.

Foto: Beck

Bei der 1. Deutschsprachigen Google-Adwords-Konferenz in Wien sprach Alexander Beck, Autor des 800-Seiten-Standardwerks "Google AdWords", mit Tatjana Rauth über die Google-Strategie hinter überteuerten Keywords und die Auswirkungen der Personalisierung und gab systemkritische Verbesserungsvorschläge im Sinne der breiten Masse.

derStandard.at: Wie viele Adwords-Kampagnen lohnen sich eigentlich?

Beck: Auf jeden Fall zu wenige. Das liegt zumeist daran, dass die Ziele und Kennzahlen vorher nicht oder nur ungenügend definiert werden. Reine Online- und E-Commerce-Unternehmen sind typischerweise häufig fit und wissen ganz genau, was sie ausgeben dürfen. Bei KMUs, die von Empfehlungen leben oder eher aus dem traditionellen Marketing kommen, sieht es oft noch anders aus. Für Google lohnen sich übrigens alle Kampagnen.

derStandard.at: Aufgrund von Saisonen und hoher Nachfrage erreichen viele Keywords in Auktionen horrende Preisniveaus. Ist eine Lösung in Sicht?

Beck: In Deutschland ist es inzwischen so, dass auf bestimmte Keywords nicht mehr geschaltet wird, weil sie sich nicht mehr rechnen. Das passiert aufgrund der steigenden Zahl an Mitbewerbern, der Unerfahrenheit mancher Werbender sowie wegen der steigenden Preise und Empfehlungen von Google. Laut einer Google-Studie sollen die Klickpreise ja sinken - wir stellen dies nicht fest. Warum auch? Warum sollte Online regelmäßig günstiger sein als alle anderen Marketingformen? Machen andere Marketingformen auch nicht. Der Markt regelt diese Diskrepanz nun von allein.

derStandard.at: Glauben Sie, dass sich hohe Keyword-Preise durch die Longtail-Strategie umgehen lassen?

Beck: Theoretisch funktioniert das super, praktisch aber werden Keywords, die nicht eine gewisse Anzahl an Usern als Suchanfrage eingeben, im Adwords-System automatisch inaktiv gesetzt. Einerseits will Google nicht so viele Keywords hosten, andererseits führt diese Taktik dazu, dass alle um eine verringerte Anzahl von Keywords bieten müssen. Wenn Google den Longtail inaktiv schaltet, dann müssen alle im Shorttail werben und die Preise gehen nach oben. Blöd ist das aus Google-Sicht nicht. Auch Google Suggest hat so eine Wirkung: Wenn ich da fünf Vorschläge bekomme, schaue ich natürlich, dass ich diese auch im Account drinhabe.

derStandard.at: Ist Klickbetrug bei Google Adwords noch ein Thema?

Beck: Unterschwellig ist der Verdacht immer da. Google selbst wird nicht müde zu betonen, wie viel Softwaretechnik und Personal eingesetzt wird, damit nichts passieren kann. Denn ein Verdacht, dass die Mehrzahl der Klicks nur gefälscht ist, könnte das gesamte Klick-Werbemodell zum Zusammensturz bringen. Die von Google als ungültig klassifizierten Klicks können im Konto angezeigt werden.

derStandard.at: Wo passieren wichtige Entwicklungen für die Zukunft?

Beck: Google muss auf Facebook reagieren. Facebook hält die User tendenziell eher auf den eigenen Seiten und bietet externe Services wie Spotify an, so dass man innerhalb von Facebook alles erledigen kann. Auch bei Google sollen immer mehr User auf den eigenen Seiten gehalten werden. Man sieht es heute schon in der organischen Suche: Angenommen, Sie suchen nach "Wetter", dann bekommen Sie eine Drei-Tages-Prognose auf Google, da muss man nicht mehr auf irgendeine Wetter-Seite gehen. Wenn heute beispielsweise Telefonnummern in der Anzeige mit ausgeliefert werden, warum sollte ich dann noch mal in den Kontaktbereich der Webseite gehen? 

derStandard.at: Wird dadurch die Webseite zum Netzdinosaurier?

Beck: So weit wird es nicht kommen. Zudem wird es Google nur so weit treiben, insofern die User davon profitieren. Eine Webseite ist wichtig, um sich ein Bild vom Unternehmen zu machen, aber der Versuch von Google wird sicherlich da sein. Die Leute gehen ja nicht freiwillig auf Google, sondern weil sie gute Suchergebnisse haben wollen. Laut Untersuchungen bleibt der User im Schnitt keine zehn Sekunden auf der Google-Suche-Ergebnisseite, und das soll nach Möglichkeit verlängert werden. Zweiter Zukunftstrend: personalisierte Suche und Stichwort "Search, plus Your World". Auch eine Reaktion auf Facebook. User loggen sich dauerhaft bei einem Social Network ein, surfen eingeloggt weiter und können so personalisierte Suchergebnisse und Werbung eingeblendet bekommen.

derStandard.at: Von der Personalisierung profitiert natürlich auch Google Adwords.

Beck: Auf jeden Fall. Es werden individuellere Anzeigen, dadurch passendere Botschaften und somit bessere Ergebnisse für den Werbenden möglich sein.

derStandard.at: Der Vorstoß mit Google+ scheint nicht wirklich zu fruchten.

Beck: Na ja, auf jeden Fall versuchen sie es wenigstens zu pushen. In den USA - und auch ganz neu bei uns - ist ihnen der Link zum Social so viel wert, dass sie statt Anzeigen auf der rechten Seite soziale Empfehlungen und Links zu Google+ ausspielen und damit auf Einnahmen verzichten. Wichtig ist sicher auch die Integration von Google+-Buttons, denn so bekommen sie das Surfverhalten der User mit.

derStandard.at: Vor kurzem hat Google ein Adwords-Feature für seine Videoplattform Youtube vorgestellt.

Beck: Mit der Verknüpfung von Adwords zu Youtube wollen sie diesen Kanal auch noch stärken. Dieser Trend geht eigentlich schon recht lang: die Verknüpfung von den Places, vom Merchant-Center. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das Adwords-Konto auch mit dieser Plattform verknüpfen. Aber auch wenn man auf youtube.de oder youtube.com einbuchen kann: Solange es noch kein youtube.at gibt, ist dies für Österreich nur eingeschränkt relevant.

derStandard.at: Eine letzte Frage an Sie als Verfasser des Google-Adwords-Standardwerks: Was würden Sie verbessern?

Beck: Derzeit gibt es dermaßen viele Änderungen, dass man der Entwicklung nur schwer hinterherkommt. Doch mein Wunsch: Alle Änderungen sollten gleich nach der Testzeit weltweit ausgerollt werden. Bis heute sind beispielsweise noch keine Produkterweiterungen in Österreich möglich. Es nervt, dass wir vieles erst ein halbes Jahr später als Deutschland bekommen. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 9.5.2012)