Ines Hopfer-Pfister erhielt einen Geschichte-Staatspreis.

Foto: TU Graz

Es war in Polen, wo Ines Hopfer-Pfister 2006 die erste Auszeichnung für ihre Forschungsarbeit überreicht wurde. Nämlich vom Verein ehemals verschleppter polnischer Kinder, die während des NS-Regimes aufgrund ihres "arischen" Aussehens gewaltsam aus ihren Familien gerissen und bei deutschen und österreichischen Pflegeeltern zu "deutschbewussten Germanen" gemacht werden sollten. Die Grazer Historikerin hat sich in ihrer Dissertation diesem bisher kaum erforschten Kapitel der jüngeren Geschichte gewidmet. Für ihre Studie erhielt die 33-Jährige kürzlich den Förderungspreis des Karl von Vogelsang-Staatspreises für Geschichte und Gesellschaftswissenschaften.

In ihrem Projekt hat Hopfer-Pfister deutsche, polnische und österreichische Archive durchforstet und sich auf die schwierige Suche nach den "eingedeutschten" Kindern gemacht, die heute alte Frauen und Männer sind. Die Interviews, die sie mit etlichen von ihnen führte, zeichnen ein bedrückendes Bild der nachhaltigen Ver- und Zerstörung von Menschen, die ihrer Identität beraubt wurden. "Diese Kinder wurden zweimal auf brutalste Weise aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen" , sagt sie. "Zuerst mussten sie, um zu überleben, ihre Eltern und ihre Muttersprache aufgeben, nach dem Krieg wurden sie ihren Pflegefamilien wieder weggenommen und in eine fremdgewordene Heimat gebracht, deren Sprache sie oft gar nicht mehr beherrschten und wo sie als 'Hitler-Buben und -Mädchen' ausgegrenzt wurden."

An die 20.000 Kinder, schätzt die Historikerin, wurden damals ins " Altreich" und die "Ostmark" verschleppt - und "fast alle sind wir daran zerbrochen", wie die Vorsitzende des Vereins, Barbara Paciorkiewicz, resümiert. Als die Doktorarbeit unter dem Titel Geraubte Identität 2010 bei Böhlau in Buchform erschien, meinte die Zeitzeugin: "Wir haben uns in diesem Buch wirklich wiedergefunden. Es ist eine wissenschaftliche Arbeit, in der auch die lange Vergessenen zu Wort kommen." Ein Lob, das Ines Hopfer-Pfister besonders viel bedeutet.

Wissenschaft aus einer anderen Perspektive

Ob Ines Hopfer-Pfister ihre Karriere als Historikerin fortsetzen wird, steht aber trotz aller Anerkennung in den Sternen. Seit 2009 arbeitet sie ganztags in der Wissenschaftskommunikation an der Grazer TU. "Hier erlebe ich Wissenschaft aus einer anderen Perspektive. Das macht Spaß, auch wenn ich dabei nicht meine eigenen Forschungsleistungen vermittle, sondern die von anderen." Was ihr als Geisteswissenschafterin im neuen Umfeld besonders auffällt: "Kaum jemand muss hier seine Doktorarbeit selbst finanzieren. Das ist in den Geisteswissenschaften anders - da kann eine Abschlussarbeit mitunter zur finanziellen Kraftprobe werden."

Die Möglichkeit, selbst als Wissenschafterin zu arbeiten, sieht sie vor diesem Hintergrund nüchtern: "Ich habe mich für die Sicherheit entschieden - die Wohnung muss schließlich bezahlt werden!" Das neue Forschungsvorhaben über junge polnische Dienstmädchen, die zum Zweck der arischen Nachwuchsproduktion in den 1940er-Jahren "eingedeutscht" wurden, ist also bis auf weiteres in die Schublade gewandert. "Als ich noch halbtags gearbeitet habe, konnte ich dazu die ersten Recherchearbeiten in Berliner Archiven durchführen. Aber jetzt bleibt dafür einfach keine Zeit." (Doris Griesser, DER STANDARD, 9.5.2012)