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Putin beim Eishockey. Ob Medwedews Ernennung ein Treffer war, bleibt abzuwarten.

Foto: AP/dapd/Sergei Karpukhin

Noch einmal trat das sogenannte Kreml-Tandem gemeinsam auf: Der russische Präsident Wladimir Putin rührte persönlich in der Duma die Werbetrommel für seinen Kandidaten auf den Premierposten, Dmitri Medwedew. Diesen bezeichnete er als "erfahrenen Politiker, der auf Veränderungen und Entwicklung abzielt" und als Patrioten. "Ich bin sicher, dass Dmitri Medwedew für eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen, mit dem Parlament und dessen Fraktionen offen ist", erklärte Putin.

 

Einer solchen Reklame hätte es wohl gar nicht mehr bedurft. Schließlich wurde die Kreml-Rochade schon im vergangenen Herbst auf dem Parteitag des Einigen Russland verkündet und brav beklatscht. Noch immer stellt die Partei die Mehrheit in der Duma. Daneben hat die pseudooppositionelle LDPR Medwedew bereits vor einer Woche ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt. Deren Parteichef Wladimir Schirinowski gelingt seit 20 Jahren der Spagat, ständig gegen die Regierung zu poltern und doch bei allen wesentlichen Projekten für den Kreml zu stimmen.

"Ich war nie ein Liberaler"

Am Ende erzielte Medwedew 299 der 450 Stimmen; das sind sogar fünf Stimmen mehr, als beide Parteien auf sich vereinen. Medwedew konnte damit also auch Abgeordnete der Kommunisten oder des Gerechten Russlands für sich gewinnen, obwohl beide Fraktionen vor der Abstimmung erklärt hatten, gegen ihn zu stimmen und Sergej Mironow, der Fraktionschef des Gerechten Russlands, Umfallern in der eigenen Partei sogar mit " ernsthaften Konsequenzen" gedroht hatte.

Freilich war der Abstimmungssieg für Medwedew teuer erkauft. Er musste sich öffentlich von seinem lange gepflegten Image als Liberaler lossagen, um die Kremlpartei Einiges Russland tatsächlich hinter sich zu vereinigen. "Meinen Ansichten nach war ich nie ein Liberaler. Meiner Überzeugung nach bin ich ein Konservativer", warb er bei einem Treffen mit der Parteispitze um deren Zuneigung.

Enttäuscht haben dürfte Medwedew mit dieser Aussage vor allem die im Kremllager verbliebenen Liberalen. Bis zuletzt hatte ihm ja die vom Kreml gegründete Splitterpartei Rechte Sache - im Vorjahr durch den Skandal um den Rauswurf des Milliardärs und Parteichefs Michail Prochorow immerhin zu einiger Bekanntheit gelangt - den Vorsitz angetragen.

Am Ende entschied sich Medwedew für den ihm von Putin angetragenen Vorsitz der Kreml- und Beamtenpartei Einiges Russland - obwohl Medwedew die Partei zuvor als rückständig kritisiert hatte und es hieß, dass er mit diversen Parteiführern wegen ihrer konservativen Ansichten im Clinch liege. Doch ein iPod sei noch kein Beweis für Demokratieverständnis, sticheln Medwedews Gegner.

Die Kritiker des frischgebackenen Premiers fühlen sich durch die öffentlich vollzogene Kehrtwende ohnehin bestätigt: "Medwedew war, ist und wird meiner Meinung nach zuallererst ein Karrierist bleiben. Karrierist ist weder gut, noch schlecht, sondern eine übernationale, überreligiöse und umso mehr überparteiliche Zugehörigkeit zu einer Kaste von Menschen, für die das Wichtigste ist, am "Hof" zu sein und da, wo der "Zaster" ist", erklärte der russische Publizist Alexander Kutscher. Für Medwedew sei die Ideologie nie so wichtig gewesen wie das eigene Fortkommen, kritisiert Kutscher.

Vor der Duma erklärte Medwedew zumindest, dass er seinem Modernisierungskurs treu bleiben wolle. Allerdings muss er sich wohl hier die Kritik gefallen lassen, dass in seinen vier Jahren als Präsident zwar viel über Modernisierung gesprochen, aber wenig erreicht wurde. (DER STANDARD, 9.5.2012)