Wien - Bundespräsident Heinz Fischer ließ es sich bei der "Feierlichen Sitzung" der ÖAW am Mittwoch nicht nehmen, den Austritt der renommierten Molekularbiologin Renée Schroeder am Mittwoch anzusprechen: Der oberste Schirmherr der Akademie forderte einen "Dialogprozess": Man müsse "jedes sachliche Argument und jeden Hinweis auf Fehler und Probleme ernst nehmen".

Am Mittwoch wurde zudem bekannt, dass schon im März ein weiteres wirkliches Mitglied (w. M.) der Gelehrtengesellschaft, der prominente Ökonom Gunther Tichy, der ÖAW den Rücken gekehrt hatte. Tichy begründete seinen Schritt mit der Politik des Präsidiums der ÖAW, "die die Akademie in den Augen der staatlichen Behörden wie der Öffentlichkeit schwer geschädigt hat", wie es in einem dem Standard vorliegenden Schreiben Tichys heißt.

Tichy war von 1992 bis 2005 Leiter des ÖAW-Instituts für Technikfolgenabschätzung, im Jahr 1994 wurde er zum w. M. gewählt. Zudem war er Mitglied der 2008 eingerichteten Strategie- und Planungskommission, die einen "akademieinternen Aufsichtsrat" darstellte.

Tichy erklärte in seinem Brief unter anderem: "Die Akademie hat das Gesetz eigenen Handelns aus der Hand gegeben und ist zum Spielball anderer Interessen geworden; ich kann es nicht mehr als Ehre ansehen, ihr anzugehören." Das Präsidium habe "seit langem und zu Recht geforderte Reformen lange verschleppt und auch zuletzt bloß unzureichend realisiert". Tichy schreibt zudem von "vielfach nicht nachvollziehbaren" " Ad-hoc-Entscheidungen".

Für das Präsidium nahm am Mittwoch Vizepräsident Arnold Suppan zum Austritt Tichys Stellung - und ließ dabei nicht wirklich eine Bereitschaft zum vom Bundespräsidenten geforderten Dialog erkennen: Dass Tichy dem ÖAW-Präsidium vorwirft, Reformen verschleppt zu haben, bezeichnete Suppan jedenfalls vollmundig als "das Dümmste vom Dummen". Vizepräsident Suppan glaube zudem nicht, dass die Austritte von Tichy und Schroeder Schule machen könnten. Man darf - angesichts solcher Worte - gespannt sein. (tasch, APA/DER STANDARD, 10.5. 2012)