Wien  - Mindestens 300.000 Österreicher leiden an Herzschwäche, europaweit sind mehr als 28 Millionen Menschen betroffen. Die Herzinsuffizienz hat damit den Status einer Volkskrankheit erlangt, welche die Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Darauf wiesen Fachärzte in Wien bei einer Pressekonferenz anlässlich des Europäischen Tags der Herzschwäche am 11./12. Mai hin, mit dem eine Aufklärungskampagne verbunden ist.

Bei weitem nicht alle Betroffenen wissen von ihrer Erkrankung, sondern deuten Symptome wie Kurzatmigkeit oder Atemnot fälschlicherweise als Alterserscheinung. Etwa vier Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind von Herzschwäche betroffen, bei den Über-80-Jährigen steigt die Rate auf zehn Prozent an. "Die Prognose ist vergleichbar mit jener von Krebserkrankungen", sagte Hans Altenberger (Rehab-Zentrum Großgmain in Salzburg) von der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). Mehr als 50 Prozent der Patienten mit schwerster Herzinsuffizienz sterben binnen eines Jahres.

Enorme Kosten

Die Krankheit ist mit beträchtlichen Kosten verbunden: Zwischen zwei und vier Prozent der Gesamtausgaben des Gesundheitsbudgets entfallen auf Herzinsuffizienz-Behandlungen, in Österreich sind das nach Angaben von Altenberger mehr als 350 Millionen Euro pro Jahr. Zwei Drittel davon entfallen auf Spitalskosten, die, wie die Experten der ÖKG anhand mehrerer Beispiele erläuterten, massiv reduziert werden könnten.

Vorzeigeprojekt Kardiomobil

Als eines der regionalen Vorzeige-Modelle gilt das Salzburger Kardiomobil, bei dem speziell geschultes Krankenpflegepersonal die Patienten zu Hause besucht, Gesundheitszustand und Therapie-Erfolg kontrolliert sowie den Betroffenen im Umgang mit der Erkrankung schult. Alle Krankenhäuser sind beteiligt, die Finanzierung erfolgt durch das Land und die Sozialversicherungen. Pro Jahr werden im Bundesland etwa 300 Menschen mit fortgeschrittener Herzschwäche versorgt. Daraus resultieren, wie Altenburger unter Hinweis auf eine klinische Studie berichtete, eine signifikant reduzierte Mortalität und weniger Spitalsaufnahmen, die Patienten schätzen den persönlichen Bezug zu den Pflegekräften.

Telefonische Betreuung

Am Landesklinikum Krems in Niederösterreich hat sich ein auf telefonische Betreuung beruhendes Modell bewährt: Patienten und deren Angehörige werden zunächst geschult, Untersuchungen werden durchgeführt, die Dosierung der Medikamenten wird schrittweise angepasst, Kontrollen erfolgen in der Herzinsuffizienz-Ambulanz, eine kontinuierliche Betreuung durch eine sogenannte Tele-Nurse, eine Krankenschwester am Telefon.

Die Qualität der medikamentösen Versorgung der betreuten Patienten habe sich erhöht: Knapp 90 Prozent nahmen sogenannte prognoserelevante Medikamente ein, bei der Kontrollgruppe im Rahmen einer Evaluierungsstudie waren es nur 60 Prozent, wie Ambulanz-Leiter Armin Böhmer erläuterte. Die Leistungsfähigkeit der Patienten war höher, die Zahl stationärer Wiederaufnahmen sank um zwei Drittel, für sechs Monate ergab sich eine Einsparung von fast 1.400 Euro pro Patient.

Datenübermittlung via Handy

Viel Technik im Hintergrund, aber die Patienten brauchen sich nicht damit auseinanderzusetzen: Schwerkranke Herzinsuffizienz-Patienten am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz werden via Mobiltelefon mit NFC-Technologie überwacht. Sie bekommen Blutdruckmesser und Waage zur Verfügung gestellt, die gemessenen Daten werden vom Handy automatisch an einen Server im Spital übermittelt. Dort erhebt man, wer kontaktiert werden muss.

Im Fall einer Grenzwert-Überschreitung wird Alarm ausgelöst. "90 Prozent der Patienten fühlen sich gut aufgehoben", berichtete Oberarzt Christian Ebner. Sie müssen weniger oft ins Krankenhaus, halten sich eher an die Therapie und lernen, besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Die Kosten werden vom Spital getragen, eine Abgeltung durch die Sozialversicherung gebe es nicht, sagte Ebner.

Trotz der nach ÖKG-Angaben überzeugenden Modelle sei keine breite Anwendung in Sicht, meinte Altenberger. "Es bleibt also Glückssache und vom Wohnort abhängig, ob Betroffene in den Genuss eines solchen Programms kommen oder unter Umständen zu Drehtürpatienten werden." (APA, 9.5.2012)