Der Nightclub der Zukunft laut Heineken: Vor allem die Bier- bestellung wird da schneller gehen.

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Das Dilemma des einfachen Nachtschwärmers: Er betritt gutgelaunt ein Lokal mit lauter Musik, drängt sich bis zur Bar und möchte bestellen - Bier zum Beispiel. Die Servierkraft hinter der Bar hört natürlich nix, für Augenkontakt ist sie zu beschäftigt. Aber wenn so ein Rüpel mit extralangen Armen daherkommt und ein paar Mal frech wachelt - ja dann sieht sie plötzlich auf, und der freche Fürwitzige zieht mit einem kühlen Blonden von dannen, während einem selber nur der Frust bleibt.

Diesem Gefühl von Ohnmacht und Ungerechtigkeit soll nun Einhalt geboten werden. Zumindest wenn es nach dem Braugiganten Heineken geht, der anlässlich der Mailänder Design-Woche ein Konzept für einen neuen Nachtklub der Zukunft präsentierte.

In dieser neuen Art von Klub geht unser Nachtschwärmer zur Bar, tippt auf das Symbol einer Bierflasche auf dem Touchscreen im Tresen - und löst damit ein Signal pulsierender, konzentrischer Kreise aus, die dem Barkeeper signalisieren, dass er schon lange vor dem unverschämten, euphorisierten Drängler im verschwitzten Hemd da war, der seine Bestellung lauthals in den Raum schreit.

Gespräche und Flirts

Dieses gerechtigkeitsschaffende Element mag das interessanteste unter den neuen Features des Nachtklub-Konzepts sein - das einzige ist es freilich nicht. Ansonsten gibt es allerhand glitzerndes und leuchtendes Zeug, riesige Videowalls und Kellner in futuristischen Uniformen im Origami-Look mit bizarren, extra entwickelten Bierhaltern in der Hand, die ebenfalls wie gefaltet wirken. Ebenfalls über die interaktive Oberfläche der Bar kann die Heineken-Alubierflasche unseres Clubbers mit jener seines Nachbarn "kommunizieren", was zu Gesprächen und Flirts führen soll.

Wer tanzen will, kann selbige Flasche in einem nummerierten Fach abstellen. Über dem Dancefloor wird per Video - und wieder im Origami-Design - ein Stern in 3-D projiziert, der angeblich die Energie der Tanzenden messen und an den DJ weiterleiten soll, der so seine Arbeit an die jeweilige Stimmung anpassen kann. "Nachtklubs sind aufregende Orte, um neue Design-Ideen zu testen", sagt Mark van Iterson, Design-Chef bei Heineken, "weil sie soziale, extrovertierte und progressive Räume sind, in denen die Nightlife-Erfahrung von Design bestimmt wird. Das Experiment zielt darauf ab, die Nacht einladender und unvergesslicher zu gestalten und die Konversation anzuregen durch Konzepte und Innovationen."

"Crowdsourced Design" nennt man, in Anlehnung an Wikipedia, die Vorgangsweise, bei der verschiedene Einflüsse über das Netz gebündelt werden, um zu einem einzigen Resultat zu kommen. Dafür seien neunzehn Designer aus Tokio, São Paulo, Mailand und New York damit beauftragt worden, ihre Erfahrungen über eine Internetschnittstelle zu teilen und den Klub gemeinsam zu gestalten, sagt van Iterson. Zudem habe man mehr 100 Nachtclubber aus zwanzig Städten dazu aufgerufen, ihre persönlichen Anliegen und Anregungen in die Gestaltung des Endprodukts einfließen zu lassen.

Konsumenten überraschen

"Wir wollten ein komplettes Umfeld und eine ganzheitliche Erfahrung schaffen und dabei erforschen, wie man Grenzen erweitern und Konsumenten überraschen kann", sagt van Iterson. Ob das Experiment des Klubs in anderen Städten wiederholt wird, will die laut Eigendefinition in so gut wie allen Ländern der Welt vertretene Brauerei nicht ausschließen. Kein Zweifel besteht darüber, dass die trendige Mailänder Zona Tortona der richtige Ort und die Design-Week der richtige Zeitpunkt waren, um ein derartiges Experiment zu starten.

Ob die Clubber auch anderenorts tatsächlich Wert darauf legen, auf "verspielte Art zu kommunizieren" und von "spielerischen interaktiven Features" überrascht zu werden, wie das vonseiten Heinekens erwartet wird, bleibt freilich fraglich. Was hingegen universell begrüßt werden sollte, ist die Möglichkeit, die Drängler an der Bar in die Schranken zu weisen. (Georg Desrues, Rondo, DER STANDARD, 11.5.2012)