Das solare Magnetfeld und der Sonnenwind formen die Heliosphäre (hier blau dargestellt). Bisher dachte man, dass das Sonnensystem auf seiner Reise durch das interstellare Gas (im Bild orange und weiß) eine Schockfront vor sich her schiebt. Die aktuellen Messungen weisen darauf hin, dass es wohl doch nur eine Arte "Bugwelle" ist.

Foto: NASA/Goddard/Walt Feimer

Washington - Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass sich unser Sonnensystem viel gemächlicher durch das Gas der Milchstraße fortbewegt als gedacht. Nach den Messungen der Raumsonde "Interstellar Boundary Explorer" (IBEX) der US-Raumfahrtbehörde NASA reist das Sonnensystem rund 11.000 Kilometer pro Stunde langsamer durch das interstellare Medium.

Unser Sonnensystem liegt eingebettet in die sogenannte Heliosphäre. Diese blasenförmige Struktur im dünnen Gas der Milchstraße wird von einem steten Teilchenstrom von der Sonne, dem sogenannten Sonnenwind, sowie vom solaren Magnetfeld geformt. In der Heliosphäre bewegt sich das gesamte Sonnensystem durch das interstellare Gas. Seit Jahrzehnten gehen Astronomen davon aus, dass die Heliosphäre dabei eine Schockfront in diesem interstellaren Medium vor sich herschiebt, ähnlich wie ein Überschallflugzeug in der Luft.

Zu langsam für eine Schockfront

Mit einer Geschwindigkeit von rund 83.000 Kilometern pro Stunde sei unser Sonnensystem jedoch zu langsam, um eine derartige Schockfront aufzubauen, argumentieren die Forscher um David McComas vom Southwest Research Institute in San Antonio (Texas) im US-Fachjournal "Science". "Während es Schockfronten mit Sicherheit bei vielen anderen Sternen gibt, stellen wir fest, dass die Wechselwirkung unserer Sonne mit dem interstellaren Medium nicht die nötige Schwelle zur Bildung einer Schockfront erreicht", erläuterte McComas. "Das Phänomen vor unserer Heliosphäre ist eher eine Welle - ähnlich wie ein Boot eine Bugwelle vor sich herschiebt."

Die Bedeutung der fehlenden Schockfront sei noch nicht klar, erläuterte McComas. "Jahrzehnte der Forschung wurden Szenarien betrachtet, die eine Schockfront einschließen. Diese Forschung muss nun mit den neuesten Daten überarbeitet werden." Konsequenzen ergäben sich etwa für die Art und Weise, wie energiereiche Atomteilchen aus dem Kosmos, die sogenannte Kosmische Strahlung, in die Heliosphäre eindringen und sich in ihr bewegen können. Dieses Wissen sei für die bemannte Raumfahrt von Bedeutung. (APA/red, derstandard.at, 12.5.2012)