Frankfurt - Auf dem deutschen Immobilienmarkt kommt ein großer Deal nach dem anderen - jetzt will auch der Wohnungskonzern Gagfah mitmischen. Allerdings nicht als Käufer, dafür fehlt dem hochverschuldeten Unternehmen das Geld, sondern als Verkäufer. Der neue Vorstandschef Stephen Charlton bestätigte am Donnerstag erstmals offiziell, dass er über einen Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes in Dresden nachdenkt.
Das sind mehr als 35.000 Wohnungen, ungefähr ein Viertel des gesamten Gagfah-Portfolios. Die sogenannten Woba-Gesellschaften, nach einem Streit mit der Stadt die Sorgenkinder des Konzerns, stehen mit 1,8 Mrd. Euro in den Büchern. Es wäre die größte Transaktion in diesem Jahr, obwohl sich weitere bereits anbahnen.
Refinanzierungsprobleme
"Ein Verkauf ist eine von mehreren Optionen, die wir prüfen", sagte Charlton, als er in einer Telefonkonferenz nach dem Dresdner Wohnungsbestand gefragt wurde. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Bereits in der vergangenen Woche war aus Verhandlungskreisen bekanntgeworden, dass die Investmentbank Leonardo nach Käufern suchen soll.
Gagfah würde mit einem Verkauf der ehemals kommunalen Woba-Gesellschaften zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen könnte der Konzern, mehrheitlich im Besitz des Finanzinvestors Fortress, das Kapitel Dresden schließen. Der Ruf in der sächsischen Landeshauptstadt ist ruiniert, seit Gagfah dort wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Mieterschutzrechte verklagt worden war - auch wenn der Rechtsstreit inzwischen mit einem Vergleich beigelegt wurde. Viel schwerer wiegt aber das Refinanzierungsproblem: Auf die Woba entfällt einer der beiden milliardenschweren Kredite, die spätestens 2013 refinanziert werden müssen. Falls sich vorher ein Käufer findet, müsste sich die Gagfah damit wohl nicht mehr auseinandersetzen.
Finanzchef Gerald Klinck betonte denn auch, der Woba-Kredit habe im Moment keine Priorität. Stattdessen bemühe sich Gagfah intensiv darum, das andere - auf Konzernebene angesiedelte - Darlehen mit den Banken neu zu verhandeln. Konkrete Ergebnisse konnte er mit dem Quartalsbericht aber nicht präsentieren.
Ob die Dresdner Gagfah-Wohnungen, alles gut vermietete Plattenbauten, am Ende tatsächlich verkauft werden, hängt vor allem an der Finanzierung, die nicht für jedermann zu stemmen ist. Es sind aber auch andere Portfolios im Markt, Investoren haben derzeit so viel Auswahl wie schon lange nicht mehr.
Barclays will Baubecon loswerden
So will die britische Bank Barclays rund 21.000 früher gewerkschaftseigene Wohnungen der Baubecon loswerden, die ihr Ende 2011 zugefallen waren, nachdem eine Finanzierung der vorherigen Eigentümer RREEF und Prelios geplatzt war. Finanzkreisen zufolge buhlen die börsennotierten Wohnungsgesellschaften Deutsche Wohnen und GSW um den Zuschlag. Beide Unternehmen machen keinen Hehl aus ihren Expansionsplänen, äußern sich aber nicht zu konkreten Übernahmezielen.
Die GSW habe sich mit dem Goldman-Sachs-Fonds Whitehall verbündet, berichteten Insider. Das gemeinsame Angebot liege bei etwas über einer Milliarde Euro, wobei auf die GSW nur ein Drittel entfalle - denn sie wolle auch nur die Berliner Wohnungen, und nicht die Bestände in Magdeburg, Hannover und Braunschweig.
Auch die Privatisierung der ostdeutschen Immobiliengesellschaft TLG mit rund 12.000 Wohnungen und hunderten Gewerbeimmobilien läuft bereits. Ein Abschluss wird bis Jahresende erwartet. Daneben hat die BayernLB ihre süddeutsche Immobilientochter GBW mit knapp 33.000 Wohnungen ins Schaufenster gestellt. Der Verkauf könnte ähnlich lukrativ sein wie der der LBBW-Wohnungen zu Jahresbeginn, bei dem der Augsburger Investor Patrizia zusammen mit Versicherern und Pensionskassen für 1,4 Mrd. Euro das Rennen machte.
Patrizia sucht Übernahmeziele
Patrizia ist weiter auf der Suche nach Übernahmezielen - und kann sich das durchaus leisten. Der um Sondereffekte bereinigte Vorsteuergewinn stieg im ersten Quartal auf 4,1 (Vorjahr: 0,6) Mio. Euro. Das Unternehmen will sich künftig noch stärker vom klassischen Wohnungshändler hin zu einem Asset Manager entwickeln, Konsortien mit finanzstarken Versicherern können dabei helfen.
Dagegen klinkt sich der Hamburger Investor TAG Immobilien bis auf weiteres aus dem Investmentmarkt aus. Vorstandschef Rolf Elgeti hatte erst vor wenigen Wochen die ostdeutsche Immobilientochter DKBI von der BayernLB übernommen, den eigenen Wohnungsbestand damit auf über 50.000 Einheiten verdoppelt - und will sich jetzt auf die Integration der neuen Bestände fokussieren. "Es würde viele, einschließlich mich selbst, überraschen, wenn wir uns an einem der übrigen großen Deals beteiligen würden", sagte Elgeti am Donnerstag. Die Jahresziele hob er an: TAG peilt nun ein Vorsteuerergebnis von 140 Mio. Euro an, der FFO soll bei 40 Mio. Euro liegen. Im ersten Quartal waren es knapp 6 Millionen. (APA, 10.5.2012)