Am Freitag rollt zum letzten Mal ein Ball auf dem traditionsreichen St. Pöltner Voith-Platz, nach dem Match gegen die Lustenauer Austria übersiedelt der SKN in die neue NV Arena. derStandard.at hielt noch einmal Umschau, die Vienna war zu Gast.

St. Pölten - Die Tschecherl-Ecken, räudige Buden aus Latten, Beton und Wellblech wird es nicht mehr geben. Künftighin, in der neuen Arena, wird das Gastronomie heißen. Würschtl und Bier ersteht man dann gar bargeldlos. St. Pölten orientiert sich da an Bayern München, also den wirklich ganz Großen. Vorfreude ist in der Stadt allerdings kaum zu bemerken. Und auch der Abschiedsschmerz angesichts der Sperrstunde für den alten Voith-Platz wird - sollte er existieren - eher still ertragen. Was den Fußball betrifft, ist Apathie in der niederösterreichischen Metropole die vorherrschende Emotion.

Kaum noch vorstellbar die Zeit, als das Publikum dort als eines der heißblütigsten im verblüfften Land galt und der Voith-Platz-Roar beinahe berühmt war. Und doch - für ein paar erhebende Jahre Ende der 1980er ist dies Realität gewesen. Damals war die Voith-Schwarze Elf (VSE) unter der Regie von Mario Kempes (ja, der Weltmeister) in ihrem Lauf nach oben in der Bundesliga angekommen, begleitet von einer ständig anschwellenden, ungläubig-euphorischen Anhängerschar. Im September 1988, als die Wiener Austria gastierte, stellten 12.000 Menschen die frisch aufgeschütteten Erdböschungen am Spratzerner Kirchenweg zu. Mehr waren es nie, mehr sollten es nicht mehr werden.

Der Rückfall

Denn es kam der Rückfall. Nach diversen ökonomischen Zusammenbrüchen, Abstiegen und Neugründungen - die Funktionäre hatten nicht so rasant an Klasse zugelegt wie die damalige Elf - fand sich ein neuer Klub, der SKN, schließlich in der Ersten Liga wieder. Doch der Zweitklassigkeit fehlte es mittlerweile an Strahlkraft, die fiebrige Aufgeregtheit wich der Gleichgültigkeit. Der Voith-Platz konnte damit gut leben. Rostend und bröckelnd legte er ein zunehmend verschlissenes Gewand an. Ein Besuch ist für die, die immer noch kommen, nun eher zum Naturerlebnis geworden: Regen, Sonne und was sonst so (weitestgehend ungehindert) von oben kommen mag, sprießende Flora von unten. Sogar das Glucksen des angrenzenden Mühlbaches ist manchmal zu hören, so still kann es werden.

Aber einmal noch soll es Brimborium geben, rund um den letzten Anpfiff. Legendenspiel, das unvermeidliche Feuerwerk. Auch zur Wahl einer "ewigen Voithplatz-Elf" wird aufgerufen, leider ohne Berücksichtigung der Zeit vor dem Boom und insofern Zeugnis einer traurigen Geschichtsvergessenheit. Denn Spitzenfußball gab es hier schon viel früher, phasenweise. 1961 etwa wäre der BSV Voith, Werksklub der gleichnamigen Maschinenfabrik, um ein Haar in die Staatsliga aufgestiegen. Seit zehn Jahren kickte man da schon auf der hauseigenen Anlage, bei deren Bau Funktionäre und Sportler natürlich selbst Hand angelegt hatten.

Ein Impuls?

Vielleicht wird der Abschied nach über 60 Jahren als Impuls wirken, und vielleicht ist er deshalb notwendig. Vielleicht aber wäre es angemessener gewesen, den Voith-Platz mit einem Bruchteil der Kosten für den Neubau in die Gegenwart zu schubsen. Herumrenoviert worden ist ja schon öfter. Für die Bundesliga wurde etwa mit Flutlicht, Sicherheitsgraben und Tunnel (!) aufgerüstet. Durch Letzteren war es den Spielern möglich, von den gleich neben der Kantine befindlichen Kabinen unterirdisch aufs Spielfeld zu gelangen. Den bis dahin nicht unüblichen Bierduschen beim Gang durch verärgerte Spaliere war damit ein Riegel vorgeschoben.

Trotz allem ist der Voith-Platz immer Platz geblieben, zum Stadion reichte es nie. So blieben Einschränkungen minimal, Freiräume - nicht unlogisch - dagegen desto größer. Etwa zum Herumwandern. Und zum Herumstehen selbstverständlich auch. Ob sich all die jetzt mitverpflanzen lassen werden, die ihre angestammten Tratsch-, Raunz- und Trink-Positionen aufgeben müssen?

Ach, man darf da schon ein bissl melancholisch werden. Auch wenn es nur um einen ziemlich unwichtigen Fußballplatz geht, einen nicht einmal hübschen dazu. (Michael Robausch, derStandard.at, 15.5.2012)

Foto: Robausch
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