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Das Fazit des "Living Planet Reports" des WWF: "Wir saugen unseren Planeten immer mehr aus."

Foto: REUTERS/NASA

Wien - Unser Planet ist kränker geworden, ist das Fazit des "Living Planet Reports" des World Wide Fund for Nature (WWF): Es dauert eineinhalb Jahre, damit unsere Erde die natürlichen Ressourcen ersetzen kann, die wir in einem Jahr als Menschheit konsumieren. Soll heißen: Wir brauchen derzeit einen halben Planeten mehr, als wir zur Verfügung haben. Laut WWF werden wir bis 2030 voraussichtlich zwei Planeten für unseren Konsum benötigen, 2050 bereits fast drei.

2012 wurde der globale Umweltbericht erstmals aus dem Weltraum präsentiert, nämlich vom niederländischen ESA-Astronauten Andre Kuipers an Bord der Internationalen Raumstation (ISS).

 
(Kuipers an Bord der ISS, Quelle: Youtube/WWF)

Die Reaktion der Umweltschützer auf den Bericht war dementsprechend heftig, aber nicht ohne Hoffnung: "Die Lage der Welt ist dramatisch. Doch wir können es schaffen, dass auch im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen genügend Nahrung, Energie und Wasser haben, um gut zu leben. Um dies zu erreichen, müssen wir vieles in unserer Lebensweise und in unserem Wirtschaftssystem ändern", sagte Georg Scattolin vom WWF Österreich am Montag.

Ökologischer Fußabdruck

Ein probates Mittel, um den "Verbrauch" der Erde zu messen, ist der ökologische Fußabdruck. Er veranschaulicht Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit unseres Lebensstils. Alles was der Mensch zum Leben braucht (Essen, Trinken, Sauerstoff), wird dabei in Fläche umgerechnet. In den USA ist diese Maßeinheit etwa fünfmal so groß wie in den ärmeren Ländern Afrikas. Der ökologische Fußabdruck der Menschheit beträgt mittlerweile 18 Milliarden globale Hektar oder 2,7 Hektar pro Person. Die Kapazität des Planeten beträgt aber nur zwölf Milliarden Hektar oder 1,8 Hektar pro Mensch.

Die Länder mit dem größten Fußabdruck pro Kopf sind Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Dänemark und die USA. Am anderen Ende liegen die besetzten Palästinensergebiete, Osttimor, Afghanistan, Haiti und Eritrea. Österreich liegt laut WWF auf Platz 17 der Länder mit dem größten ökologischen Fußabdruck pro Einwohner. Der "Footprint" Österreichs ist demnach seit 2005 um sechs Prozent gewachsen, der Konsum der Österreicher beansprucht derzeit 44 Millionen globale Hektar. Ein Österreicher nimmt mit rund 5,3 Hektar doppelt so viel Biokapazität in Anspruch, wie der Weltdurchschnitt. "Würden alle Menschen so leben wie wir Österreicher, bräuchten wir schon heute drei Planeten", so die beunruhigende Bilanz des WWF.

Dramatischer Artenverlust

Wie schlecht der Mensch seinen Heimatplaneten behandelt, beschreibt der "Living Planet Report" bis ins kleinste Detail. So wurden etwa mehr als 9.000 Populationen von knapp 2.700 Wirbeltierarten untersucht, um 1.000 mehr als noch im Report von 2010. Erschütterndes Ergebnis: Seit 1970 ist die weltweite Artenvielfalt um 30 Prozent zurückgegangen, in tropischen Regionen sogar um 60 Prozent. Besonders schlimm ist der Verlust in den tropischen Flüssen, wo fast drei Viertel der Arten verschwunden sind.

Die Ursachen sind laut WWF die Zerstörung der Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen, die Umweltverschmutzung, der Klimawandel und auch invasive Arten, die durch den weltweiten Verkehr in neue Regionen gelangen und heimische Arten verdrängen. Lediglich in den Ländern des Nordens hat sich die Artenvielfalt seit 1970 um 30 Prozent erhöht. Umwelt- und Naturschutz zeigen dort positive Wirkung.

Besonders negativ wirkt sich der Raubbau der Industriestaaten in den Tropenländern aus. Dem Bericht zufolge ist der größte Faktor im ökologischen Fußabdruck der Welt der Ausstoß von Treibhausgasen (55 Prozent) - und der ist seit 1961 um das Elffache gewachsen. Die industrielle Fischerei hat bereits 70 Prozent der Fischgründe weltweit stark geschädigt. Damit ist die Existenzgrundlage von 520 Millionen Menschen, die von der Fischerei abhängig sind, gefährdet.

Waldflächen gehen verloren

Auch die Wälder schrumpfen kontinuierlich: Wie der WWF-Report erhob, gehen jährlich 130.000 Quadratkilometer Waldflächen durch die Umwandlung in Weide- und Anbauflächen verloren. Das entspricht etwa der 1,5-fachen Fläche Österreichs. Nach Kohle und Öl ist der Waldverlust der größte Faktor für den Klimawandel - trägt er doch bis zu 20 Prozent zum Klimawandel bei. Deshalb schlagen die Umweltschützer Alarm: "Ohne Waldschutzmaßnahmen wird die Welt bis 2050 Waldflächen in der Größe von 2,3 Millionen Quadratkilometer verlieren - was mehr als der Hälfte aller 27 EU-Länder entspricht."

Zunehmende Wasserknappheit

"Wir saugen unseren Planeten immer mehr aus", heißt es im "Living Planet Report" zum Thema Wasser. 500 Millionen Menschen leiden derzeit weltweit unter den negativen Auswirkungen von Dämmen und anderen Flussregulierungen. 900 Millionen haben kein sauberes Trinkwasser und 2,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Anlagen. 92 Prozent unseres Brauchwassers gehen in die Landwirtschaft. Düsterer Ausblick: Im Jahr 2025 werden 5,5 Milliarden Menschen mit Wasserknappheit kämpfen.

Ist die Welt noch zu retten? Geht es nach dem WWF, dann: Ja. Immerhin haben sich die Investitionen in erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie seit 2004 mehr als verfünffacht. Dennoch müssen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden. "Natur muss endlich einen Preis haben. Ohne diese einschneidenden globalen Maßnahmen wird das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Umweltkatastrophen", so die eindringliche Warnung des WWF.

Auch Astronaut Kuipers fand in seiner Grußbotschaft von der ISS mahnende Worte für seine Spezies: "Von hier aus dem Weltraum kann ich die Auswirkungen sehen, die im Living Planet Report beschrieben sind - Waldbrände, Luftverschmutzung und Erosion. Wir haben nur diesen einen Planeten und den müssen wir für uns und die kommenden Generationen bewahren." (APA/red, derStandard.at, 14.5.2012)