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Caroline Weber: "Man versucht, an die Perfektion heranzukommen, das ist sehr schwer und man muss sehr konsequent an kleinen Details arbeiten."

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"Gymnastik ist eine Frauensportart und hat viel mit Ästhetik zu tun."

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"In Sofia gibt es eine super Halle, die extrem hoch ist und mit drei großen Teppichen ausgestattet ist. Dort kann man die Würfe optimal üben."

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"Man muss schauen, wie lang der Körper das mitmacht."

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"In der Vergangenheit hat man viel früher aufgehört. Heute hat sich das geändert, die Gymnastinnen sind viel älter."

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Die Gymnastin Caroline Weber mischt seit Jahren erfolgreich in der von Osteuropäerinnen dominierten Weltspitze mit. Die Profisportlerin des Heeresleistungszentrums Südstadt gewährt im derStandard.at-Interview Einblicke in Ihre Trainingsmethoden, erzählt, was sie mit Hubert von Goisern zu tun hat, berichtet über den beschwerlichen Weg zur Perfektion und erklärt, was es mit dem nicht interpretationsfreien Code auf sich hat. Was Bundesheer und Rhythmische Gymnastik verbindet, welche Vor- und Nachteile das Älterwerden für Gymnastinnen mit sich bringt und wie es um männliche Gymnasten bestellt ist, erzählte die dreimalige Sportlerin Vorarlbergs im Interview mit Thomas Hirner.

derStandard.at: Sie haben beim Gymnastik-Weltcup in Sofia den zehnten Rang im Mehrkampf und jeweils achte Plätze mit Ball und Reifen erreicht. Die Formkurve Richtung EM und Olympia in London scheint zu stimmen. Wie lautet die Zielsetzung für diese Großbewerbe?

Weber: Bei der EM in Nischni-Nowgorod (Russland) ist es wichtig, eine richtig gute Leistung zu zeigen, weil es der letzte große Event vor den Olympischen Spielen ist. In London sollte eine gute Platzierung für Österreich drinnen sein, auf eine Medaille habe ich aber keine Chance.

derStandard.at: Sie haben nach dem Wettkampf noch ein Trainingslager in Bulgarien eingeschoben. Gibt es dort bessere Trainingsmöglichkeiten?

Weber: Meine Trainerin ist Bulgarin, und so hat man entschieden, dass der Nationalkader gleich dort bleibt. In Sofia gibt es eine super Halle, die extrem hoch ist und mit drei großen Teppichen ausgestattet ist. Dort kann man die Würfe optimal üben. Normalerweise trainieren wir in einer sehr niedrigen Halle, haben dort nur eine Fläche für die Einzel und die Gruppe zur Verfügung, und das ist ein bisschen wenig. Außerdem hat man dafür gesorgt, dass die mehrfache Weltmeisterin Maria Petrow zum Training kommt. Sie hat Kleinigkeiten an der Choreografie verändert.

derStandard.at: Sie gelten als eine der wenigen Gymnastinnen West- und Mitteleuropas, die zur Weltspitze gehören. Warum wird die Gymnastik-Szene von Osteuropäerinnen dominiert?

Weber: Die Gymnastikschule dort ist viel fortschrittlicher als bei uns. Die Mädchen fangen dort schon sehr früh mit der Gymnastik an, außerdem gibt es eine optimale Abstimmung mit der Schule oder Ausbildung. Es wurde auch viel in Trainingshallen investiert, damit sie perfekt sind. Das ist ein großer Vorteil.

derStandard.at: Wann haben Sie mit der Gymnastik begonnen?

Weber: Mit sieben Jahren. Die Osteuropäerinnen fangen bereits mit fünf oder sechs Jahren an.

derStandard.at: Sie haben sich 2007 in der Weltspitze etabliert und mittlerweile unzählige Spitzenplätze erreicht. Sie werden Ende Mai 26 Jahre alt. Bis in welches Alter kann man in der Weltspitze mitmischen?

Weber: In der Vergangenheit hat man viel früher aufgehört. Heute hat sich das geändert, die Gymnastinnen sind viel älter. Eine Altersgrenze kann man nicht festlegen, aber die derzeit Älteste ist 28, sie hat allerdings jetzt auch aufgehört. Es gibt nicht viele, die so lange dabei bleiben.

derStandard.at: Was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?

Weber: Ich habe mir kein Limit gesetzt, ich lasse das auf mich zukommen. Man muss schauen, wie lang der Körper das mitmacht. Man merkt mit den Jahren, dass manches schwieriger und anstrengender wird, dass man mehr Therapie braucht. Wenn man jünger ist, geht vieles einfacher, jetzt muss ich mich gründlicher aufwärmen, dafür habe ich mehr Routine.

derStandard.at: Sie sind seit 2006 Profisportlerin und werden vom Heer unterstützt. Wie passen rhythmische Gymnastik und Bundesheer zusammen?

Weber: Das war zu Beginn auch für mich neu und ungewöhnlich, aber es lässt sich ganz gut vereinbaren, weil es auch sehr viel mit Disziplin zu tun hat.

derStandard.at: Wie läuft der Job einer Profi-Heeresleistungssportlerin ab?

Weber: Ich fahre in der Früh in die Südstadt, dort muss ich mich melden und regelmäßig den Wochenplan abgeben, damit sie wissen, wo und wann ich trainiere. Ich bin auch bei vielen Veranstaltungen dabei, trage das Logo und vertrete praktisch das Bundesheer.

derStandard.at: Die Grundausbildung war erträglich?

Weber: (lacht) Das war etwas, was ich sonst in meinem Leben nie gemacht hätte. Gymnastik ist eine Frauensportart und hat viel mit Ästhetik zu tun. Die Schießübungen hingegen sind schon etwas Kontroverses, aber es war eine spezielle Erfahrung.

derStandard.at: Wie läuft ein Wettkampf ab?

Weber: Das kommt darauf an, ob es sich um einen Weltcup oder einen Grand Prix handelt. Bei einem Grand Prix steht immer nur die Beste aus einem Land am Start, Weltcups sind größere Veranstaltungen mit mehreren Akteurinnen. Die Sportlerinnen werden in Gruppen eingeteilt, dann kommt ein Gerät nach dem anderen dran und man versucht, sich für das Finale zu qualifizieren. Die Addition aller vier Geräte ergibt die Mehrkampfwertung.

derStandard.at: Gibt es nicht mit Seil, Band, Reifen, Keulen und Ball sogar fünf Geräte?

Weber: Ja, aber das Seil wurde für die Seniorinnenklasse abgeschafft, weil es für das Fernsehen zu unattraktiv war.

derStandard.at: Bevorzugen Sie ein Gerät?

Weber: Nein, es kommt darauf an, wie es gerade läuft, aber ich bin sehr ausgeglichen und mag alle Geräte gern.

derStandard.at: Worauf kommt es an und wie wird bewertet?

Weber: Es gibt einen technischen Wert, der gibt an, was ich mit meinem Körper mache. Dann gibt es einen künstlerischen Wert, der angibt, was ich mit dem Gerät mache. Und die dritte Komponente ist die Ausführung. Bei den verschiedenen Geräten gibt es Schwerpunkte. Beim Ball sind es Beweglichkeitselemente, die drinnen sein müssen. Beim Reifen ist es gemischt, beim Band sind es die Drehungen und bei den Keulen sind es die Stände.

Man muss vor dem Wettkampf ein Formular ausfüllen und versucht dann, so viele Punkte wie möglich zu turnen. Die Kampfrichter bewerten dann, sie streichen an, was sie sehen, was gilt und was nicht gilt. Die Höchstpunktezahl liegt bei 30, diesen Wert bekommt aber nicht einmal die Weltmeisterin. Die höchsten und niedrigsten Wertungen aller drei Komponenten werden herausgenommen, und durch Addition der Mittelwerte ergibt sich die Endwertung.

derStandard.at: Ist es nicht immens kompliziert und langwierig, den Umgang mit so vielen verschiedenen Geräten zu perfektionieren?

Weber: Ja, schon, aber man lernt das ja schon von klein auf, nimmt nach und nach ein Gerät dazu. Mit der Zeit automatisieren sich die Abläufe.

derStandard.at: In welchem Umfang und was trainieren Sie?

Weber: Wir trainieren meistens drei Stunden am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag. Viel Zeit beansprucht das Aufwärmen, weil das die Basis und das Wichtigste ist. Wir machen zum Beispiel Ballett, weil es auch eine wichtige Grundlage für uns ist. Dann gibt es auch das Kraftprogramm. In der Folge versuchen wir, so oft wie möglich ein Programm mit einem Gerät zu wiederholen.

derStandard.at: Wie oft muss man ein Programm wiederholen, bis es perfekt funktioniert?

Weber: Ziemlich oft. Es ist auch ziemlich schwer, eine perfekt gelungene Übung genau so zu wiederholen. Man versucht, an die Perfektion heranzukommen, das ist sehr schwer und man muss sehr konsequent an kleinen Details arbeiten. Man muss die einzelnen Sequenzen zuerst ohne Musik wiederholen und dann mit der Musik verknüpfen. Die einzelnen Elemente wiederhole ich circa zehnmal, das Wettkampf-Programm mit Musik wiederhole ich dann circa drei- bis viermal, dann wechsle ich das Gerät. Und am Nachmittag kommen die beiden anderen Geräte dran. Mehr ist auch von der Kraft her nicht möglich.

derStandard.at: Wie viele Wochen Training muss man veranschlagen, bis ein Programm reibungslos funktioniert und präsentiert werden kann?

Weber: Mittlerweile brauche ich nicht mehr so lange, weil ich doch schon Routine habe, aber an die zwei Monate kann es schon dauern. Man muss aber auch nach den Wettkämpfen immer wieder kleine Korrekturen vornehmen, je nachdem, was erlaubt oder nicht erlaubt ist. Die Kampfrichter können verlangen, dass man einen Prozess abändern muss. In Hinblick auf Großevents sollte dann alles passen.

derStandard.at: Es gibt demnach ein strenges und nicht immer eindeutiges Regelwerk.

Weber: Es gibt einen Code, und der hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert, hat mehrere Phasen und Entwicklungen durchschritten, und es ist nicht immer alles klar. Bei neuen Übungen muss man erst nachfragen, ob dies überhaupt erlaubt ist.

derStandard.at: Welche Kriterien gibt es da zum Beispiel?

Weber: Man darf den Ball jetzt nicht mehr ruhig halten, sondern muss ihn bewegen. Für die einen Kampfrichter ist es instabile Lage, für andere ist es Statik, und daher verlangen sie eine Änderung. Es sind eben die kleinen, feinen Dinge, die wichtig sind.

derStandard.at: Sie hatten Anfang des Jahres gesundheitliche Probleme. Welcher Natur waren diese?

Weber: Ich war krank. Zuvor habe ich sehr viel trainiert, weil ich alle Übungen neu zusammengestellt habe. Das ist eigentlich untypisch, aber wir wollten das so. Ich war dann ziemlich geschwächt und habe beim Grand Prix in Moskau eine Infektion aufgelesen. Danach ist es mir zwei, drei Wochen ziemlich schlecht gegangen.

derStandard.at: Körperbeherrschung, Gleichgewichtssinn, Rhythmusgefühl, Gelenkigkeit und Geschicklichkeit scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Wie viel Talent braucht es, wie viel muss erarbeitet werden?

Weber: Das Verhältnis beträgt ziemlich genau 50:50. Gewisse körperliche Voraussetzungen müssen gegeben sein, aber alles andere kann man sehr gut erarbeiten.

derStandard.at: Hubert von Goisern hat die Musik für Ihr neues Programm komponiert, mit dem Sie auch bei Olympia auftreten werden. Wie kam es dazu?

Weber: Ich wollte immer schon Musik von Hubert von Goisern für mein Programm. Ich wollte speziell für Olympia etwas Österreichisches, habe aber nichts gefunden, weil man ja Instrumentalversionen benötigt. Ich habe Kontakt mit ihm aufgenommen und er hat mir einiges zur Auswahl zusammengeschnitten. Er hat sich total gefreut, dass ich Musik von ihm verwenden möchte.

derStandard.at: Zufrieden mit dem Ergebnis?

Weber: Ich habe eine Musikmischung aus Traditionellem und Modernem, also Rock und Jodel ausgewählt. Ich finde es ziemlich cool und habe extra einen Dirndl-Anzug schneidern lassen. Es ist sehr originell und anders und ich musste mich selbst erst daran gewöhnen.

derStandard.at: Werden Sie der rhythmischen Gymnastik auch nach Ihrer aktiven Karriere erhalten bleiben?

Weber: Auf jeden Fall. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel erlebt, Informationen und Erfahrungen gesammelt. Und ich möchte diese Dinge auf jeden Fall an österreichische Gymnastinnen weitergeben.

derStandard.at: Gymnastik gilt als Frauensport. In den letzten Jahren soll es aber auch schon Männer-Wettkämpfe gegeben haben. Was halten Sie davon?

Weber: Das, was die Männer machen, ist schon sehr anders. Es kommt aus Japan und beinhaltet mehr akrobatische Elemente. Außerdem werden veränderte Geräte verwendet. Die Wettkämpfe finden getrennt von unseren statt, darum bekommen wir auch wenig mit. Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt. (Thomas Hirner, derStandard.at, 16.5.2012)