Michael Spindelegger hat gesprochen. Sein Vater war da, ein Ballett hat getanzt, die ÖVP-Granden haben artig geklatscht. Der Livestream ist zusammengebrochen. Die Tradition der Familie aus Hinterbrühl wurde betont. Daraus will man die Zukunft machen. Die Welt hat sich nicht verändert.
Spindeleggers "Österreich-Rede" war eine große Inszenierung, eine große Inszenierung der Entkoppelung politischen Handelns von der Bevölkerung. Wenn Spindelegger von Anstand spricht, spricht er von einem Wert, den wenige mit seiner Partei und der Politik im Generellen verbinden.
Es sollte der große Wurf, ein Befreiungsschlag für die ÖVP sein. Es wurde ein Wurferl. Keine inhaltliche Revolution, keine rhetorische Sensation, sondern ein Phrasenaneinanderreihen der zehn schwarzen Gebote. Solide, aber nicht packend. Für einen Parteitag oder das Parlament ausreichend, als große Rede wird sie jedoch nicht in die Geschichte eingehen. Wenige wird es verwundern.
Aber große Reden scheinen derzeit der Schlüssel zu politischem Erfolg zu sein. Barack Obama hat vorgezeigt, wie man mit rhetorischem Talent, ein paar Säulen im Hintergrund und einem Teleprompter zum Popstar wird. Doch Michael Spindelegger ist nicht Barack Obama. Er wird es nie sein. Er sollte auch nicht danach streben.
Ein Jahr vor der Nationalratswahl hat die ÖVP mehrere Probleme. Konservative Regierungen in ganz Europa werden abgestraft. Frankreich hat erstmals nach mehr als einem Jahrzehnt wieder einen linken Präsidenten, in Deutschland zerbröselt es gerade die bürgerlichen Parteien.
Doch neben dem europäischen Trend droht auch ein hausgemachtes Problem: Die Skandale in der Volkspartei werden steter Begleiter hin zur Wahlurne bleiben. Der Stachel der "Korruptionisten" sitzt tief, die Partei ist darüber hinaus noch nicht bereit, alle als solche anzuerkennen. Trotzig war die Reaktion auf die Causa Amon. Die ÖVP ist angeschlagen in ihrer Struktur, sie ist angreifbar, auch für die mögliche Neugründung einer Stronach-Partei. Eine Rede wird daran nichts ändern.
Inhaltlich betonte Spindelegger Leistung, Vertrauen und Anstand - als Lichtblick bleibt sein Bekenntnis gegen Hass und Ausgrenzung. Alles mögliche Themen für eine bürgerliche Partei.
Doch selbst wenn Spindelegger ein brillanter Redner wäre, wenn er sich die besten Redenschreiber ins Boot holen würde: Die Basis, auf der er in den Wahlkampf startet - und ein bisschen war der montägige Auftritt auch dessen Beginn -, ist instabil geworden. Das Vertrauen in seine Partei ist zerstört.
Es ist fraglich, ob in dieser Situation eine Überbetonung schlagwortartiger Werte hilft. Will die ÖVP in Zukunft mitgestalten, muss sie sich von ihren Traditionen lösen und aus dem Werte-Anspruch eine Werte-Realität machen. Am besten bis 2013. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 14.5.2012)