Nach einem sanften Beginn im April in Istanbul geht es nun ans Eingemachte.
Wien/Teheran - Bei der zweiten Runde der wiederaufgenommenen Atomgespräche zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft, die am 23. Mai in Bagdad stattfindet, wird es langsam ans Eingemachte gehen: Die "völlig neue Atmosphäre" der Kooperation, über die Mitte April vom ersten Treffen in Istanbul berichtet wurde, wird einer ersten Bewährungsprobe ausgesetzt sein. Zur Vorbereitung der Bagdad-Runde finden in Wien derzeit technische Vorgespräche in der iranischen Botschaft statt, bei denen der Inspektorenchef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Herman Nackaerts, den Iranern - wieder einmal - darlegt, was sich die IAEO unter einer guten Zusammenarbeit vorstellt.
Dabei geht es auch um den Zugang zur militärischen Anlage von Parchin, in der hochexplosive Sprengstoffe, die man für den Atombombenbau braucht, getestet worden sein sollen. Laut einer Einschätzung des Institutes for Science and International Security (ISIS) in Washington beweisen Satellitenaufnahmen die Existenz einer Druckkammer für solche Tests. Dadurch sehen sich jene bestätigt, die behaupten, Teheran baue bereits an einer Bombe - aber auch jene Experten, die meinen, Iran wolle alle Waffenaspekte beherrschen, um eine Option auf ein militärisches Programm zu erwerben, was nicht zwingend einen Atomwaffenbau bedeute.
Auf der Seite der internationalen Gemeinschaft (P5+1: die fünf Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland - oder, von deutscher Perspektive aus, EU 3+3) ist ein Paradigmenwechsel im Gange, was den Atomstreit mit dem Iran betrifft: Die Priorität liegt nun darauf, ein iranisches Waffenprogramm auszuschließen, und nicht mehr, einen völligen Stopp der iranischen Urananreicherung durchzusetzen, wie ihn ja mehrere Uno-Sicherheitsratsresolutionen fordern. Vereinfacht gesagt, soll dem Iran durch die Anerkennung seines Rechts auf eine - streng kontrollierte - Anreicherung auf höchstens fünf Prozent seine bereits laufende 20-Prozent-Anreicherung abgekauft werden, mit begleitenden vertrauensbildenden Maßnahmen vonseiten des Iran, wie die Ausfuhr des größten Teils seines bereits angereicherten Urans.
Unzufrieden sind mit dieser Linie die Iran-Hardliner, die auch in diesen Verhandlungen nur einen weiteren Versuch Teherans sehen, Zeit zu gewinnen. Die Iran-Pragmatiker werden also relativ rasch Erfolge nachweisen müssen. Die P5+1 haben ihrerseits schon guten Willen gezeigt, indem sie dem vom iranischen Regime ausgesuchten Tagungsort Bagdad zugestimmt haben. Besonders für die arabischen Golfstaaten, die die iranischen Hegemonialbestrebungen, zu der die "nuclear option" gehört, genauso fürchten wie Israel, ist das mit Teheran verbündete schiitische Regime in Bagdad ein Dorn im Auge.
Innenpolitisch scheint im Iran auf den ersten Blick die Wiederherstellung der politischen "Normalität" - die Schwächung der Fraktion von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad bei den Parlamentswahlen zugunsten der Traditionalisten - einen positiven Ausgang der Gespräche zu begünstigen. Aber der Wettbewerb zwischen den Lagern, der eigentlich entschieden ist, geht weiter. Vom an den Rand gedrängten Ahmadi-Nejad kommen heftige Querschüsse. Darunter wird etwa sein Besuch auf Abu Mussa gewertet, einer der (schon in der Schah-Zeit) vom Iran besetzten Inseln im Persischen Golf, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten beansprucht werden.
Querschüsse Ahmadi-Nejads
Außerdem kritisierte die Ahmadi-Nejad-nahe Zeitung Iran jene iranischen Politiker - also genau jene, die im Auftrag des religiösen Führers Ali Khamenei im Atomstreit verhandeln -, die sich im Westen für eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran einsetzen: Zuzugeben, dass die Sanktionen dem Iran zu schaffen machen, hieße, die Verhandlungsposition des Iran zu schwächen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 15.5.2012)