Graz - Ob Lisbeth Grolitsch 90 oder erst "über 80" Jahre alt ist, ist unklar. Die Frau ist jedenfalls laut einem Verfassungsschutz-Beamten, der am Montag im Prozess wegen NS-Wiederbetätigung gegen zehn Männer in Graz aussagte, eine führende Figur in der steirischen Rechtsextremen-Szene. Sie ist Mitbegründerin mehrere rechtsextremer Organisationen und Herausgeberin der einschlägigen Huttenbriefe. Laut Unterlagen von Staatsanwalt Johannes Winklhofer ist sie 1922 geboren.

Die Publizistin selbst schreibt in einem Brief an das Gericht, den Richter Raimund Frei am Montag verlas, sie könne nicht als Zeugin erscheinen, weil sie "schon über 80" und gerade im Ausland sei. Neben Grolitsch soll der etwa gleichaltrige, 2010 wegen NS-Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilte und 2011 verstorbene Herbert Schweiger eine ähnlich wichtige Rolle in der Szene gespielt haben. In ihrem Büro in ihrer Grazer Wohnung soll Grolitsch den seit 20 Jahren einschlägig aktiven Franz Radl beschäftigt haben. Radl, der auch immer wieder in seiner Heimatstadt Fürstenfeld mit einer eigenen Liste bei Gemeinderatswahlen antrat, steht als Hauptangeklagter vor dem Richter, weil er den rechtskräftig verurteilten aber im Herbst auf Bewährung entlassenen Holocaust-Leugner Gerd Honsik beim Betreiben und Bewerben von zwei Websites geholfen haben soll. Jüngere Mitangeklagte sollen - der Standard berichtete - Aufkleber für die Seite verbreitet haben.

Insgesamt drei Beamte, zwei Verfassungsschützer und ein Polizist der steirischen Sicherheitsdirektion erzählten am Montag, wie die Hausdurchsuchungen bei Radl und dem 22-jährigen Mitangeklagten S. abgelaufen waren.

Ein Beamter: "Bei Herrn Radl ist in der Wohnung der Adolf Hitler allgegenwärtig". Doch was man zuhause hängen oder liegen hat, muss noch nicht strafbar sein. Dass unter anderem Texte verbreitet werden, in denen steht, dass Insassen von Konzentrationslagern "sich sonnten und baden gingen", während andere Deutsche vor Fliegerbomben zitterten, diese bewusst an Jugendliche verbreiteten Lügen sind angeklagt.

Was für Erstaunen bei einigen Gerichtsbeobachtern sorgte: Niemand konnte bisher den PC Radls "knacken" und Dokumente darauf sicherstellen, obwohl das "vermutlich ein gewaltiger Fundus gewesen" wäre, so ein Beamter. Dafür hatte man USB-Sticks, CDs sowie einen "Aktendeckel" mit Unterlagen Radls sichergestellt. Die "Programme", die laut CD-Hülle für Schüler ab der vierten Klasse "geeignet" seien, haben Titel wie "Holocaust ohne Maske".

Grolitsch soll jedenfalls laut einem Beamten mit Radl gebrochen haben, weil sie ihm die auch in ihrer Wohnung durchgeführte Hausdurchsuchung vorwirft. Selbst will sie keinen Zugang zu Radls PC gehabt haben. Auch Mitangeklagte sollen bei Grolitsch zu Besuch gewesen sein, glaubt ein Polizist.

Radl befragte zwischendurch Beamte des Verfassungsschutzes im Stil eines Kreuzverhörs. Als er einen Beamten fragte, wer diesen "politisch und ideologisch" beeinflusse, reichte es dem Richter.

Honsik ist ebenfalls als Zeuge geladen, doch ob er nach Graz kommt, ist zweifelhaft. Zur Zeit weiß die Justiz nicht einmal, ob er sich in Spanien, wo er vor seiner Auslieferung 2007 untergetaucht war, ist oder in einem anderen Land. Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetzt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 15.5.2012)