Wien - Mit den Stimmen aller fünf Fraktionen hat der Nationalrat am Dienstag die seit Jahrzehnten angestrebte Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschlossen. Berufungssenate und Sonderbehörden gehen damit ab 2014 in insgesamt elf Verwaltungsgerichten auf. Die Freude darüber fiel so gut wie einhellig aus, auch Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) zeigte sich mit dem nun gefundenen Kompromiss hoch zufrieden.

Vertreter der Regierungsfraktionen waren lediglich in der Einschätzung uneinig, ob es sich um die größte Verwaltungsreform seit 1920 (Beschluss der Bundesverfassung, SPÖ-Sicht) oder 1925 (Festlegung der Bund-Länder-Kompetenzverteilung, ÖVP-Sicht) handelt. Sonst war die Freude über die laut SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann "wirklich herzeigbare Reform unserer Verfassung" groß. Den Parlamentariern auch der Opposition dankte Wittmann für die "äußerst konstruktive, kompromissbereite Vorgangsweise im Dienste der Sache".

Pathos bei Opposition und Regierung

"Der heutige Tag ist ein guter Tag für Österreich", sagte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Das österreichische Rechtsschutzsystem werde an europäische Standards angeglichen, die Gesetzesvorlage sei eine der bestvorbereiteten überhaupt.

Seitens der Opposition, die dem Vorhaben geschlossen die notwendige Zweidrittelmehrheit verschaffte, betonte Peter Fichtenbauer (FPÖ) den großen Ernst, mit dem man sich an den Reformbestrebungen beteiligt habe. Auch er sprach von einem großen Tag. "Seien wir froh, dass wir in dieser Republik leben."

Für die Grünen betonte Daniela Musiol das gute Klima in den Verhandlungen, eigene Anliegen etwa bei der Bundeskompetenz für UVP-Verfahren habe man einbringen können. Lediglich Herbert Scheibner (BZÖ) stieß sich am Pathos. Dass seit den 1920er Jahren keine größere Reform geschafft worden sei, wertete er eher als Warnzeichen.

Elf Verwaltungsgerichte werden geschaffen

Durch die Reform werden mehr als 120 weisungsfrei gestellte Berufungssenate und Sonderbehörden aufgelöst. Sie gehen in insgesamt elf Verwaltungsgerichten auf. Dies geschieht per 1. Jänner 2014, zuvor müssen Hunderte Gesetze abgeändert werden. In jedem Bundesland wird ein Verwaltungsgericht erster Instanz eingerichtet, im Bund ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht. Sie ersetzen die Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder, den Unabhängigen Finanzsenat, das Bundesvergabeamt, den Asylgerichtshof sowie zahlreiche sonstige Sonderbehörden des Bundes.

Der Instanzenzug ist künftig grundsätzlich zweistufig: Wer gegen einen Bescheid einer Behörde - etwa einen Bau- oder Steuerbescheid - berufen will, muss sich (abgesehen von Gemeinde-Angelegenheiten) nicht mehr an die nächst höhere Verwaltungsinstanz wenden, sondern kann gleich vor ein unabhängiges Verwaltungsgericht ziehen. Oberste Instanz in allen Verwaltungsverfahren bleibt der Verwaltungsgerichtshof, der mit der Reform grundsätzlich auch wieder für Asylsachen zuständig wird. Anrufbar wird der VwGH aber nur unter bestimmten Voraussetzungen sein - etwa wenn uneinheitliche Rechtsprechung vorliegt oder der Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Neues Lehrerdienstrecht für Pädagogische Hochschulen

Der Nationalrat hat am Mittwochabend mit den Stimmen von Koalition und Grünen ein neues Dienstrecht für Pädagogische Hochschulen beschlossen. Im Wesentlichen werden die Regelungen für die Uni-Lehrenden übernommen: Wie an der Uni wird außerdem vor Beginn des Jahres zwischen Rektor und Lehrendem in einem Vertrag festgeschrieben, was die Aufgaben des Lehrenden in diesem Studienjahr sind.

Künftig gibt es de facto All-In-Verträge, die neben der Lehre auch Forschung, Planungs- und Koordinationstätigkeiten, Curricula-Entwicklung etc. berücksichtigen. Mehrdienstleistungen wie im alten Lehrerdienstrecht gibt es nicht mehr, für PH-Lehrende gilt auch nicht mehr die Ferienregelung für Lehrer, sondern sie müssen künftig wie jeder andere Mensch Urlaub beantragen.

Dringlicher Antrag der Grünen abgelehnt

Abgelehnt wurde am Abend mit Koalitionsmehrheit der insgesamt elf Punkte umfassende "Dringliche Antrag" der Grünen zum Transparenzpaket. Die Grünen hatten unter anderem verlangt, Parteispenden schon ab 500 Euro offenlegungspflichtig zu machen und bei schweren Verstößen das Strafrecht zur Anwendung kommen zu lassen.

In einer Kurzdebatte thematisierten die Grünen einmal mehr die umstrittene Krypta am Wiener Heldenplatz, die traditioneller Ort von Kranzniederlegungen im Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges ist. Ihr Abgeordneter Harald Walser prangerte an, dass just dort auch Personen wie Josef Vallaster durch Inschriften gedacht werde, die sich des Massenmordes schuldig gemacht hätten. Zudem besteht der Verdacht, dass der Gestalter der Krypta unter dem "toten Soldaten" eine Hülse mit Nazi-Verehrungen versteckt habe. Walser fordert eine Umgestaltung.

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) versicherte im Gegenzug, dass er hier ohnehin schon eine historische Aufarbeitung eingeleitet habe. Unter Einbindung der Präsidentschaftskanzlei, des Bundesdenkmalamts und der Burghauptmannschaft werde eine Umgestaltung der Krypta angestrebt. Zudem will Darabos ein für allemal klären, ob es nun die Hülse unter dem Epitaph des "toten Soldaten" gibt, mit der Gestalter Wilhelm Frass dereinst geprahlt hatte.

Das neue Lehrerdienstrecht war der letzte Gesetzesbeschluss in der Dienstag-Sitzung, die mit Debatten zu Oppositionsanträgen bezüglich Abschaffung der Hacklerregelung für Beamte bzw. zur bundesweiten Vereinheitlichung des Jugendschutzes nach gut zehn Stunden Debatte zu Ende ging.(APA, 15.5.2012)