Videostill aus der vielfach ausgezeichneten Dokumentation "Bully".

Foto: Videostill/http://thebullyproject.com

Mitt Romney war also ein Bully. Einer, der seine Mitschüler gerne tyrannisiert hat, wenn ihm ihre Haare nicht gepasst haben. Der Bericht der "Washington Post" darüber, wie er mit ein paar Freunden seinen Mitschüler John Lauber zu Boden zerrte und ihm dann seine blond gebleichten Haare abschnitt, sorgt für Diskussionen. Als harmlosen "Bubenstreich" versuchen seine Spindoktoren die homophobe Haarschnitt-Episode abzutun. Das war doch damals in den Sechzigern in einem Bubeninternat, so etwas passiert eben unter Burschen. Heute fällt Romneys Attacke in die Kategorie "Bullying", eine Verhaltensweise, die öffentlich nicht mehr toleriert wird, würde man meinen.

Tägliche Schikanen

In der vielfach ausgezeichneten Dokumentation "Bully" beweist der Regisseur Lee Hirsch das Gegenteil. Einfühlsam zeigt er das Leben von fünf Jugendlichen und ihren Eltern, wie sie mit den täglichen Schikanen im Bus, in der Cafeteria und am Schulhof umgehen. Da wäre der zwölfjährige Alex aus Iowa, den seine Mitschüler nur das Fischgesicht nennen, den sie schubsen, würgen und sich im Bus auf sein Gesicht setzen. Er nimmt alles tapfer hin, immerhin ignorieren sie ihn nicht, die Schikane will selbst er als Streiche unter Freunden interpretieren. Die 14-jährige Ja'Meya aus Mississippi geht etwas forscher an die Hänseleien heran. Sie schnappt sich eines Tages die Waffe ihrer Mutter und droht ihren Mitschülern im Bus, sie zu erschießen, wenn sie nicht aufhören sollten, sie zu piesacken.

"So ist Highschool eben"

Und dann wäre da noch Tyler Long, der 17-Jährige aus Georgia, der die täglichen Erniedrigungen eines Tages nicht länger ertragen konnte. Die Demütigungen, wenn ihm seine Mitschüler nach dem Sportunterricht die Kleidung versteckten, während er duschte, oder wenn sie ihm auf dem Nachhauseweg nachriefen, dass er es nicht wert sei zu leben und sich am besten erhängen sollte. Im Oktober 2009 hat er es dann getan.

Während ich mir den Film anschaue und bei jeder Beschreibung zusammenzucke und ein empörtes Schnaufen von mir gebe, ist mein amerikanischer Begleiter Bryan weniger irritiert. Für ihn ist die Schikane normal. Bullying gehört zum Erwachsenwerden dazu. Auch er hatte mit seiner Gruppe von Mitt Romneys zu kämpfen. Aufgewachsen in Miami, Florida, war er als pummeliges Kind ein gefundenes Fressen. Ihn haben sie auch geschubst, gehänselt und in der Cafeteria bespuckt. "So ist die Highschool eben", meint er unbeeindruckt. "Aber wenigstens haben sie mir nicht die Haare geschnitten." (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 15.5.2012)