Wien - Der österreichische Presserat rügt einmal mehr die Tageszeitung "Österreich". Konkret geht es um das Thema Suizidberichterstattung. Hier werden der Zeitung "schwerwiegende Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse" vorgeworfen. "Österreich" hatte im Dezember 2011 unverpixelte Fotos eines verstorbenen jungen Mannes veröffentlicht sowie zahlreiche Details aus seinem Privatleben und eine Abschieds-SMS.

Für den Presserat sind dies unerlaubte Eingriffe in die Intimsphäre und die Würde des Verstorbenen, wie es am Dienstag in einer Aussendung hieß. Der Verstorbene habe keine öffentliche Funktion ausgeübt und sei auch sonst nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden. Durch die Veröffentlichung privater Details sei auch das Pietätsgefühl der nahen Angehörigen verletzt und ihre Trauerarbeit erschwert worden, urteilte der Senat.

Verletzende Postings

Weiters kritisierte der Presserat, dass auf der Website der Zeitung ein Forum eröffnet worden war, auf dem es zu verletzenden Postings und zur Preisgabe weiterer intimer Details kam. Grundsätzlich sollte bei einer so sensiblen Angelegenheit wie dem Suizid eines jungen Mannes kein Forum für die Leser eingerichtet werden, befanden die Ethikwächter.

Außerdem fürchtet der Presserat, dass die sensationelle Präsentation des Falles gegebenenfalls zu Nachahmungstaten anregen könnte. "Um keine Identifikationsmöglichkeiten beziehungsweise Anregungen zu bieten, sollten Journalisten die Bekanntgabe von Details zur betroffenen Person und zur Suizidmethode möglichst unterlassen. All diese wissenschaftlich erforschten Grundsätze wurden in den vorliegenden Berichten nicht beherzigt", hieß es.

Grundsätzlich mahnt der Presserat bei der Berichterstattung über Suizide Zurückhaltung ein. Dem Vernehmen nach soll eine eigene Bestimmung dazu in eine Neufassung des Ehrenkodex der österreichischen Presse aufgenommen werden. (APA, 15.5.2012)