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Julia Louis-Dreyfus als Selina Meyer (Mitte).

Foto: HBO, Bill Gray/AP

Keine beherrscht es in ihren Rollen besser, hochgradig peinliche Situationen zu erzeugen und sich in deren Verlauf immer mehr selbst hineinzureiten. Dann gefriert ihr Lächeln zu einem breiten Grinsen, sie liefert eine weitere unpassende Bemerkung und verlängert so die unerträgliche Situation zu einer gefühlten Ewigkeit. Das konnte Julia Louis-Dreyfus schon in "Seinfeld", vor allem aber in "The New Adventures of Old Christine".

Perfektioniert hat sie dieses Talent nun in der neuen HBO-Serie "Veep". Ende April lief die erste Staffel in den USA an, in der Louis-Dreyfus keine Geringere als die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten spielt.

Und die Politikerinnen-Rolle liegt ihr: In adretten Kostümen und mit aufgeräumter Frisur regiert sie das Vize-Büro, das allerdings entgegen den Erwartungen alles andere als nah am Zentrum der Macht liegt. Und angesichts der Inkompetenz der Stellvertreterin wie auch ihrer MitarbeiterInnen will das auch niemand: Das Office rund um Vice President Selina Meyer ist die zweite Garnitur - und das in jeder Hinsicht.

Im Vize-Büro geht dauernd etwas und jede Menge schief, da mögen Meyers MitarbeiterInnen noch so unermüdlich an ihren Blackberrys kleben - gut organisiert sieht anders aus. Auch Meyer selbst hat abgesehen von ihrer PolitikerInnen-Attitüde wenig zu bieten. Von politischen Visionen oder Werten brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Thematisch greift sie einfach das auf, was sie machtpolitisch nach vorne bringen kann.

Wenn sie dann auf halber Strecke merkt, dass etwas doch nicht funktioniert, oder sie sich einfach bestimmten Anordnungen des Präsidenten unterordnen muss, kommt es zu den besten Peinlichkeiten. In eine Rede über "Green Jobs" muss sie kurzfristig die Anordnung einbauen, weder über die Plastikindustrie noch über die Ölindustrie etwas Kritisches zu sagen. Doch gerade bei Reden sollte sich besser niemand auf das Improvisationstalent der Stellvertreterin verlassen, der es nicht zu blöd ist, den eben über Bord geworfenen Inhalt mit leeren Worthülsen wie "Politics is about people" zu füllen.

Da kommt Freude auf

Neben diesem ganzen Stress vermögen nur die ersten Anzeichen eines möglichen Ablebens des Präsidenten Freude auf Meyers Gesichtszüge zu zaubern, die sonst meist von schlecht gespielter Begeisterung beherrscht werden. Das gesamte Team der Vizepräsidentin wird von der Nachricht, der Präsident habe Brustschmerzen, in höchste Verzückung versetzt - die allerdings mit anteilnehmenden Worten und Gesten versteckt werden muss. Als verkündet wird, der Präsident sei wieder auf dem Weg der Besserung, zeigt sich, wie geübt Meyer samt Team im Umgang mit dem sich ständig wiederholenden Hinweis "In die zweite Reihe, bitte" schon sind. 

Tägliche Enttäuschungen erlebt Meyer auch, wenn sie mehrmals ihre Sekretärin fragt, ob denn der Präsident angerufen habe, und die Antwort beständig Nein lautet. Ein Nein, das Meyer stets in einem Tonfall zwischen zerschmetterter Hoffnung und schon erwarteter Enttäuschung wiederholt.

Frauen in Spitzenpositionen bekommen wir meist nur als tough und überperfekt zu Gesicht. Dank "Veep" gibt es nun diese ambitionslose, aber machthungrige Politikerin Selina Meyer, die wir nur allzu gern auf ihrem von Fettnäpfen gepflasterten Weg begleiten. (beaha, dieStandard.at, 16.5.2012)