Das Scheitern der Regierungsbildung in Griechenland hat am Dienstag die Finanzmärkte neuerlich belastet und schürte Angst vor einem Euro-Exit Athens, genannt "Grexit". Der Euro rutschte unter 1,28 Dollar, die Renditen südeuropäischer Staatsanleihen gingen nach oben, wodurch sich deren Schuldenaufnahme verteuert.

Für einen Austritt gibt es einige Vorbilder. Aus heimischer Sicht besonders interessant: die Auflösung der österreichisch-ungarischen Währungsunion und der "Kronenzone" der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie. Neben Österreich und Ungarn fanden sich die Tschechoslowakei und Fiume (Rijeka) in der Währungsunion, deren baldigem Zerfall von der Wissenschaft große Bedeutung beigemessen wird. US-Ökonom Barry Eichengreen verweist beispielsweise auf die Parallele, wonach der Verbund Österreich-Ungarn wie die Eurozone auf eine gemeinsame Haushaltspolitik wie einheitliche Budgeteinnahmen verzichteten.

Bei den Austritten aus der "Kronenzone" kam es zu Problemen und Gegenmaßnahmen, die auch in Hellas Thema sein könnten. Beim Exit der Tschechoslowakei 1919 etwa wurde eine neue Währung durch Abstempelung der im Land verwendeten Geldscheine aus der Taufe gehoben. Zudem behielt der Staat die Hälfte des Bargelds und der Kontoguthaben in Form einer Zwangsanleihe ein. Belastet wurden auch andere Vermögenswerte und der Staat gründete eine eigene Notenbank. Ein wesentlicher Grund für den Austritt der Tschechoslowakei war die mangelnde Bereitschaft der Notenbank in Wien, den Nachbarn geldpolitisch einzubinden.

Gleichzeitig kam es auch in Österreich zur Abstempelung der in Umlauf befindlichen Banknoten, Guthaben wurden eingefroren. Das Misstrauen gegenüber der neuen Währung war aber so groß, dass die Umtauschfristen immer wieder verlängert und auch danach große Barbestände nicht gestempelt wurden. Im Unterschied zur Tschechoslowakei hielten sich deshalb groß angelegte Fälschungen in Grenzen.

1920 machte dann auch Ungarn Schluss mit dem Währungsverbund und behielt mit der Abstempelung die Hälfte der Barbestände ein. Gleichzeitig kam es zu Kapitalverkehrskontrollen und Einschränkungen von Handel und Personenverkehr.

Bei allen Parallelen: Dass derartige Maßnahmen angesichts moderner Transaktionsformen heute noch umsetzbar sind, bezweifelt Eichengreen. Dazu kommt die große Abhängigkeit der griechischen Banken von weiteren EU-Hilfen. Bis Ende Juni sind 31 Milliarden vorgesehen, das Gros für den Geldsektor.

Unüberschaubar sind die Ausfälle internationaler Forderungen bei einem " Grexit". Die Dekabank rechnet mit Kosten für den Euroraum von 311 Milliarden Euro allein wegen Nichtbedienung von Schulden. Hinzu kämen private Forderungen gegenüber Griechenland, die teilweise uneinbringlich sein würden. Ökonomen debattieren darüber, wie groß die Ansteckungsgefahr in Euroland wäre und ob der Rettungsschirm ausreichen würde.

Bluten müsste bei Austritt Athens wohl Frankreich, das bis zu 66,4 Milliarden Euro abschreiben müsste, weitere 20 Milliarden französische Banken, errechnete die IESEG-Management-Schule in Lille. Berenberg Bank schätzt das maximale Verlustrisiko der Euro-Zone gegenüber Griechenland auf etwa 135 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil betrüge etwa 27 Prozent, also rund 36 Milliarden Euro.  (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 16.5.2012)