Hinweis

Dieser Beitrag läuft im Rahmen einer Kooperation von derStandard.at und dem Österreichischen Verband der Immobilientreuhänder (ÖVI).


Die inhaltliche Verantwortung liegt beim ÖVI.

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Branchenumfragen in Deutschland und Österreich bestätigen die Erfahrungen vieler Marktteilnehmer: Weder beim Verkauf noch bei der Vermietung von Immobilien wird bislang der Energieausweis wirklich nachgefragt. Mit der Gebäuderichtlinie 2010/31/EU soll diesem europaweit zu beobachtenden Umsetzungsdefizit abgeholfen werden. Auch wenn man die jüngsten Medienberichte verfolgt, ist man erstaunt darüber, dass hier angeblich eine völlig neue Verpflichtung eingeführt wird, obwohl diese schon durch das EAVG 2006 - wenn auch ohne Strafsanktionen - erfolgt ist.

Der österreichische Gesetzgeber hat vor wenigen Wochen ein neues Energieausweis-Vorlage-Gesetz beschlossen (BGBl I 27/2012), mit dem die Vorgaben der EU umgesetzt werden sollen. Auch die inhaltliche Ausgestaltung des Energieausweises wurde in der OIB-Richtlinie 6 im Herbst 2011 neu gestaltet.

Die Schwerpunkte der Reformen:

  • Geltungsbereich, Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
  • Ausnahmekatalog reduziert und bundesgesetzlich verankert
  • Informationspflicht über Energieausweis-Kennwerte schon im Inserat
  • Neue Kennzahl im Energieausweis: Gesamteffizienz-Faktor fGEE
  • Klar definierte Vorlage- und Aushändigungspflicht
  • "Ersatzvornahme" durch den Käufer bzw. Bestandnehmer bei Nichtvorlage bzw. - aushändigung 
  • Erleichterungen für Einfamilienhäuser
  • Gewährleistung und Schadenersatz
  • Verwaltungsstrafbestimmungen
  • Energieausweis für WE-Anlagen

Geltungsbereich, Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die Gebäuderichtlinie 2012 nicht als Novelle zum Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2006 umzusetzen, sondern in einem eigenen, neuen Gesetz. Wie bisher regelt das EAVG die Pflicht des Verkäufers oder Bestandgebers, beim Verkauf oder bei der In-Bestand-Gabe eines Gebäudes oder Nutzungsobjektes dem Käufer oder Bestandnehmer einen Energieausweis vorzulegen und auszuhändigen (§1 EAVG 2012).

Das Gesetz wird mit 1. Dezember 2012 in Kraft treten, das zurzeit gültige EAVG 2006 tritt mit Ablauf des 30.11.2012 außer Kraft, ist aber weiterhin auf Kauf- und Bestandverträge anzuwenden, die vor dem 1.12.2012 abgeschlossen wurden. Immerhin ist durch diese längere Legisvakanz ausreichend Zeit eingeräumt, um sich auf die geänderten Rahmenbedingungen, vor allem auf die deutliche Einschränkung der Ausnahmebestimmungen vorzubereiten. Die Übergangsbestimmungen stellen sicher, dass bereits erstellte Energieausweise auf die Dauer von zehn Jahren ab ihrer Erstellung weiterhin ihre Gültigkeit behalten und auch für die neue Informationspflicht in Inseraten verwendet werden können.

Ausnahmekatalog reduziert und bundesgesetzlich verankert

Die Ausnahmebestimmungen des EAVG 2012 werden - anders als bisher - unabhängig von den bautechnischen Vorschriften der Länder in einem eigenen Ausnahmekatalog in § 5 EAVG 2012 normiert. Zu beachten ist vor allem, dass denkmalgeschützte Gebäude oder Gebäude in Schutzzonen (oder Gebäude mit erhaltungswürdiger, gegliederter Fassade, wie das in Wien großflächig der Fall war) nicht mehr von den Verpflichtungen des EAVG 2012 ausgenommen sind.

Der taxative Ausnahmekatalog des § 5 EAVG beschränkt sich auf folgende Gebäudekategorien:

1. Gebäude, die nur frostfrei gehalten werden,
2. im Verkaufsfall Gebäude, die auf Grund ihres schlechten Erhaltungszustands objektiv abbruchreif sind, sofern in einer allfälligen Anzeige nach § 3 EAVG das Gebäude als abbruchreif bezeichnet und im Kaufvertrag davon ausgegangen wird, dass der Käufer das Gebäude binnen dreier Jahre nach Vertragsabschluss abbrechen werde,
3. Gebäude, die ausschließlich für Gottesdienste und sonstige religiöse Zwecke genutzt werden,
4. provisorisch errichtete Gebäude mit einer geplanten Nutzungsdauer von höchstens zwei Jahren,
5. Industrieanlagen, Werkstätten und landwirtschaftliche Nutzgebäude, bei denen jeweils der überwiegende Anteil der für die Konditionierung des Innenraumklimas erforderlichen Energie durch die im Gebäude entstehende Abwärme aufgebracht wird,
6. Wohngebäude, die nach ihrer Art nur für die Benützung während eines begrenzten Zeitraums je Kalenderjahr bestimmt sind und deren voraussichtlicher Energiebedarf wegen dieser eingeschränkten Nutzungszeit unter einem Viertel des Energiebedarfs bei ganzjähriger Benützung liegt, und
7. frei stehende Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von weniger als 50 Quadratmetern.

Neue Kennzahl im Energieausweis: Gesamteffizienz-Faktor fGEE

Neben dem bislang schon bekannten Heizwärmebedarf HWB (angegeben in KWh/m²a, d.h. Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr) wird ein neuer Kennwert auf der ersten Seite des Energieausweises auszuweisen sein: Der Gesamtenergieeffizienz-Faktor fGEE verdeutlicht die Relation des Endenergiebedarfs (zukünftiger Lieferbedarf) zur Anforderung an den Endenergiebedarf des Jahres 2007 bezogen auf das Referenzklima oder Standortklima. Diesem Wert ist keine physikalische Einheit zugeordnet, er ist ein sogenannter dimensionsloser Wert, der aber eine Orientierung für den Nutzer geben soll. 

Für die grafische Darstellung des Gesamtenergieeffizienz-Faktors fGEE sind folgende Klassengrenzen festgelegt:

Klasse
fGEE
A++
≤ 0,55
A+
≤ 0,70
A
≤ 0,85
B
≤ 1,00
C
≤ 1,75
D
≤ 2,50
E
≤ 3,25
F
≤ 4,00
G
> 4,00

Informationspflicht bei Anzeigen in Druckwerken und elektronischen Medien

Zu den wesentlichen Neuerungen der Gebäuderichtlinie 2010 im Bereich des Energieausweises zählt die Verpflichtung, bereits in den Verkaufs- oder Vermietungsanzeigen in kommerziellen Medien den im Energieausweis angegebenen "Indikator der Gesamtenergieeffizienz" des Gebäudes zu nennen. § 3 EAVG 2012 verpflichtet den Verkäufer bzw. den Bestandgeber und den von diesen beauftragten Immobilienmakler dazu, bei einem Immobilieninserat in einem Druckwerk oder einem elektronischen Medium den Heizwärmebedarf (HWB) und den neugeschaffenen Gesamtenergieeffizienz-Faktor (fGEE) anzugeben. Diese Angabe muss nicht - wie im Ministerialentwurf ursprünglich geplant - als färbige Abbildung der Skala erfolgen. In den Erläuternden Bemerkungen zum EAVG 2012 findet sich folgendes Beispiel: "HWB 22, fGEE 0,93".

Unterlässt der Verkäufer/Bestandgeber/Immobilienmakler diese Angabe, begeht er eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von bis zu 1.450 Euro geahndet wird. Der Makler ist aber nicht verpflichtet, etwa gar auf eigene Kosten einen Ausweis zu beschaffen. Wenn der Immobilienmakler den Auftraggeber über die Verpflichtung zur Angabe der Energiekennzahlen aufgeklärt und ihn zu deren Bekanntgabe bzw. zur Einholung eines Energieausweises aufgefordert hat, der Auftraggeber dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen ist, so ist der Makler entschuldigt.

Wird bei einem Verkauf bzw. einer In-Bestand-Gabe ein "alter" Energieausweis verwendet, der den Anforderungen der Gebäuderichtlinie 2002 entspricht, so reicht es aus, im Immobilieninserat nur den Heizwärmebedarf anzugeben.

Ein Energieausweis für alle?

Der Verkäufer/Bestandgeber kann seine Vorlage- und Aushändigungsverpflichtung durch einen Ausweis entweder über die Gesamtenergieeffizienz des konkreten Nutzungsobjektes oder über die Gesamtenergieeffizienz eines vergleichbaren Nutzungsobjekts im selben Gebäude oder über die Gesamtenergieeffizienz des gesamten Gebäudes erfüllen. Wie schon bisher gilt also bei der Vorlage- und Aushändigungspflicht der gebäudebezogene Ansatz.

Eine Erleichterung gibt es für Einfamilienhäuser: Erlaubt ist nunmehr auch die Verwendung eines Ausweises über die Gesamtenergieeffizienz eines vergleichbaren Gebäudes von ähnlicher Gestaltung, Größe und Energieeffizienz. Dies setzt allerdings voraus, dass der Ersteller des Ausweises die Ähnlichkeit der Gebäude hinsichtlich Gestaltung, Größe, Energieeffizienz, Lage und Standortklima bestätigt. Die praktische Anwendbarkeit und Kostenersparnis wird damit wohl eher eingeschränkt sein.

Vorlage- und Aushändigungsverpflichtung

An der Vorlage- und Aushändigungspflicht des EAVG 2006 wurden Details geändert und erstmals die Durchsetzungsmöglichkeiten konkretisiert: 

Der Verkäufer bzw. der Bestandgeber hat "rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung" einen Energieausweis vorzulegen. Der Interessent soll also ausreichend Zeit bekommen, die Unterlagen des Energieausweises vor Abgabe seiner Vertragserklärung in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Neu ist auch, dass der Gesetzgeber eine konkrete Frist für die Aushändigung der Kopie anordnet, nämlich spätestens 14 Tage nach Vertragsabschluss. Klargestellt ist des Weiteren, dass es sich nicht nur um die ersten beiden Seiten des Energieausweises handelt, sondern um eine vollständige Kopie inklusive der Beilagen.

Der Käufer bzw. Bestandnehmer kann in Hinkunft klagsweise verlangen, dass ihm ein gültiger und vollständiger Energieausweis ausgehändigt wird. Er hat aber auch die Möglichkeit, selbst einen Energieausweis erstellen zu lassen und die dafür aufgewendeten angemessenen Kosten klagsweise gegen seinen Vertragspartner geltend zu machen. Nach Ablauf der 14-tägigen Frist hat der Käufer bzw. Bestandnehmer den Verkäufer/Bestandgeber zur Erfüllung seiner Aushändigungspflicht aufzufordern. Erst dann kann er von einem der beiden Rechtsbehelfe Gebrauch machen.

Gewährleistung und Schadenersatz

Die im vorgelegten Energieausweis enthaltenen Kennzahlen gelten nunmehr ausdrücklich als bedungene Eigenschaft im Sinn des § 922 Abs 1 ABGB. Unrichtige Energiekennzahlen können jedenfalls Gewährleistungsrechtsfolgen auslösen. Zu beachten ist, dass die Gewährleistung nur innerhalb der Grenzen des § 9 KSchG und § 879 ABGB eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden kann. Der Gesetzgeber weist aber selbst darauf hin, dass die Kennzahlen auch bei sorgfältiger Ausweiserstellung nur innerhalb einer gewissen Bandbreite Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen können. Diese Daten betreffen überdies einen errechneten Normbedarf, nicht aber den tatsächlichen Verbrauch.

Wird kein Energieausweis vorgelegt, so gilt - wie bisher - zumindest eine dem Alter und der Art des Gebäudes entsprechende Gesamtenergieeffizienz als vereinbart.

Ergänzend dazu wird eine unmittelbare schadenersatzrechtliche Haftung des Ausweiserstellers direkt dem Käufer oder Bestandnehmer gegenüber normiert, nicht nur wie bisher im Verhältnis zum Auftraggeber des Ausweises (§ 6 EAVG 2012).

Verwaltungsstrafbestimmungen

Die Gebäuderichtlinie 2010 fordert "wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen" (Art 27). Der österreichische Gesetzgeber sanktioniert demnach ab dem 1.12.2012 sowohl die den Verkäufer, Bestandgeber und Immobilienmakler treffende Informationspflicht in Inseraten als auch die Vorlage- und Aushändigungspflicht des Verkäufers bzw. Bestandgebers mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 1.450 Euro. Die Bezirksverwaltungsbehörden und Magistrate werden in Ausübung der mittelbaren Bundesverwaltung diese Verwaltungsübertretungen zu verfolgen haben.

Wie schon oben erwähnt, kann sich der Makler freibeweisen, wenn er den Auftraggeber über die Informationspflicht in Inseraten aufgeklärt hat und dieser trotzdem keinen Energieausweis erstellen lässt. Die ÖVI-Formulare 10 und 11 (Vermittlungsauftrag, Alleinvermittlungsauftrag) werden in Kürze in geänderter Fassung zur Verfügung stehen, um schon bei der Vereinbarung des Auftrags diese Fakten schriftlich festhalten zu können.

Energieausweis und Wohnungseigentum

Viele Wohnungseigentümergemeinschaften haben einen Beschluss auf Nicht-Vorrätighalten eines Energieausweises gefasst. Für den Immobilienverwalter scheint es ratsam, die Wohnungseigentümer schriftlich auf die geänderten Bestimmungen (v.a. Verwaltungsstrafen, Hinweispflicht in Inseraten) hinzuweisen und allenfalls in der nächsten WE-Versammlung diesen Beschluss bestätigen bzw. revidieren zu lassen. Die wohnrechtlichen Bestimmungen zum Energieausweis (MRG, WEG) bleiben durch das EAVG 2012 unverändert. (derStandard.at, 16.5.2012)