Klo und fließendes Wasser innerhalb der eigenen vier Wände: Was für die meisten Wienerinnen und Wiener so selbstverständlich ist wie das Riesenrad im Prater oder das Dosenbier vom Würstelstand, fehlt immerhin in knapp 39.000 Hauptwohnsitz-Wohnungen der Bundeshauptstadt.

Viele alte Mietshäuser in Wien zeugen noch von Zeiten, als man sich die Toilette am Gang mit den Nachbarn teilte und die Bassena vor der Wohnungstür die einzige Wasserquelle (und oft auch das Zentrum nachbarschaftlicher Beziehungen) war. Zumeist sind die alten Becken nur mehr als Ziergegenstände in den Häusern verblieben. Doch ganz selbstverständlich ist Klo und Wasser in den eigenen vier Wänden in Wien noch immer nicht.

Nach einer auf Stichproben basierenden Auswertung der Statistik Austria ist die Zahl der Substandard-Wohnungen in Österreich zwar seit Jahren rückläufig; 2011 lag sie nur noch bei etwa 1,5 Prozent (2001: 3,2 Prozent). In Wien waren es aber immerhin noch 4,6 Prozent aller Hauptwohnsitze.

Foto: derStandard.at/dare

Im österreichischen Mietrechtsgesetz sind sogenannte Substandard-Wohnungen als "Objekte der Kategorie D" definiert: "Keine Wasserentnahmestelle oder kein WC im Inneren beziehungsweise eine dieser beiden Einrichtungen ist unbrauchbar." Dementsprechend liegt der zulässige Mietzins für "unbrauchbare" Kategorie-D-Wohnungen bei 0,81 Euro pro Quadratmeter.

(UPDATE: Nach einem Hinweis aus der Mietervereinigung möchten wir an dieser Stelle präzisieren: Wird die Substandardwohnung im "brauchbaren" Zustand vermietet - auch bei Klo bzw. Wasserentnahmestelle auf dem Gang -, beträgt der zulässige Hauptmietzins derzeit 1,62 Euro pro Quadratmeter. Lediglich im "unbrauchbaren" Zustand der Wohnung - mit gröberen, die Benützung behindernden Mängeln - beträgt der Zins 0,81 Euro/m².)

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Die Realität sieht jedoch anders aus, sagt Nadja Shah, Juristin und Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Österreichs. "Zu 99 Prozent sind die Mieten in Wohnungen dieser Kategorie zu hoch", so Shah. "Das betrifft aber nicht nur Substandard-Wohnungen, sondern allgemein kleine Altbauwohnungen unter 50 Quadratmeter." Die meisten betroffenen Mieter wüssten gar nicht, dass sie zu viel bezahlen.

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Die Zahl der Wohnungen, die komplett ohne Wasserentnahmestelle sind, wird nicht gesondert erfasst. In vielen Kategorie-D-Wohnungen gibt es Waschmöglichkeiten in der Küche.

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Ausgestorben ist die Bassena jedenfalls noch nicht. Hier im Bild sieht man ein neuwertiges Waschbecken am Gang eines Mietshauses im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dieses Exemplar ist in Verwendung.

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Alte Becken sind noch in vielen Wiener Mietshäusern zu finden, meist sind sie aber nicht mehr in Gebrauch.

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In Ottakring gibt es die höchste Dichte von Klos am Gang, gefolgt von Favoriten, Rudolfsheim-Fünfhaus und der Leopoldstadt. Im Bundesländerranking steht Wien unangefochten an der Spitze.

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Dass ungleich mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Kategorie-D-Wohnungen leben, ist ebenfalls durch die Statistik Austria belegt. 2011 wohnten hochgerechnet 5,3 Prozent (rund 34.000 Personen) jener Menschen, deren Eltern nicht in Österreich geboren wurden, in Wohnungen ohne WC bzw. Waschgelegenheit. (David Rennert, derStandard.at, 23.5.2012)

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