Kennen und lieben gelernt habe ich grüne Currypaste als Fertigprodukt. Ein australischer Koch, mit dem ich ein halbes Jahr eine Küche geteilt habe, hat gern und oft für sich Curry gemacht, und obwohl der Mann zu der Zeit in einem der weltbesten Restaurants gewerkt hat, hat er zu Hause zur Fertigcurry-Paste gegriffen.

Die schmeckt nämlich zugegeben oft ausgezeichnet und rückt das Gericht in die Nähe von Pesto Trapanese, was das Verhältnis von Aufwand zu Wirkung anbelangt. Seither begleitet mich das grüne Curry jedenfalls durchs Leben, und mit ihm der Wunsch, es einmal von Grund auf selbst zu machen.

Nun war ich vor ein paar Wochen bei Dylan Jones zu Gast, jenem Mann, der den bescheidenen Vorsatz hat, die beste Thaiküche Bangkoks zu kochen (mehr dazu demnächst im Rondo). Er war so nett, mir eines seiner Rezepte für grünes Curry anzuvertrauen. Und weil Curry so wie Gulasch mit der Menge besser wird, habe ich es an gleich elf Mitessern ausprobiert.

Eine Currypaste mutet fast mittelalterlich an in ihrer Würzopulenz. Galgant und Gelbwurz, Chili, Zitronengras und Kaffir-Limette, Shrimppaste und Schalotten, Korianderwurzeln und Kreuzkümmel, der halbe Asiashop wird hier zu einem Brei gemörsert und anschließend in Kokoscreme gebraten, bis die Küche berauschend riecht.

Dylans Variante des grünen Currys ist speziell für Rindfleisch entwickelt worden, sie verträgt sich aber (auch wenn Jones da strenger wäre) auch gut mit Huhn und sicher noch besser mit Ente. Im Gegensatz zum thailändischen Straßenrandstand, der sein Curry in zehn Minuten zubereitet, dauert das hier etwas länger, weil das Fleisch erst einige Tage mariniert und dann langsam geschmort wird.

Wichtiges vorab

Ohne Asiashop wird es schwierig (der in der Neulerchenfelder Straße in Wien hat nicht nur einen Thaischwerpunkt, sondern auch ausgezeichnete Mangos). Die meisten Zutaten gibt es nicht im normalen Supermarkt, und sie können auch schlecht ersetzt werden. Manche wie das Thaibasilikum braucht es meiner Meinung nach nicht unbedingt, dafür sind etwa die Kaffir-Limettenblätter essenziell. Ihnen nicht Wohlgesonnene meinen zwar, sie schmecken wie Zitronenseife, ich finde aber, sie sind ein wesentlicher Teil des Currys. Wer sie findet, sollte viele kaufen, sie lassen sich gut einfrieren. Auch Shrimppaste und Gelbwurz können nicht einfach so weggelassen werden. Letztere gibt dem Curry seine grüne (ja, verwirrend) Farbe und einen frischen Geschmack. Was passiert, wenn man sie vergisst, mussten meine zehn Mitesser beim ersten Versuch erleben. Es sieht nicht sehr appetitlich aus.

Ein Mörser ist besser als ein Häcksler. Zwar kann man mit Zweiterem die Zutaten vorbereiten, so richtig cremig bekommt man die Paste aber nur mit Stößel und Steinschüssel hin. Weil für elf Leute die Steinschüssel zu klein war, mussten wir mit einem Topf arbeiten – funktioniert auch, ist aber nicht die erste Wahl.

Nicht von der Chillimenge schrecken lassen. Zehn grüne Bird-Chilis wirken bedrohlich, die Kokosmilch macht aber einiges wieder gut.

Die Currypaste möglichst frisch verarbeiten und nur ein paar Tage aufheben. Im Gegensatz zu Pesto hält sie sich nicht gut, ich nehme an, dass es am mangelnden Öl liegt. Ist das Curry aber einmal gekocht, wird es über Nacht besser.

Der europäische Curry-Koch hat ein Problem: In Thailand wird für gute Currys Kokosnuss-Cream verwendet, die aus der ersten Pressung des Fruchtfleischs stammt und sich nur einige Stunden frisch hält. Bei uns ist das nicht zu bekommen (außer in dubioser pulverisierter Form). In Wien bleibt nur der Griff zur Kokos-Milch, die weitaus wässriger ist als die Cream. Wird sie in Dosen oder Packerl abgefüllt, setzt sich oben aber das Fett als eine festere weiße Masse ab, die man abschöpfen und zum Braten der Paste verwenden kann.

Grünes Curry mit geschmortem Beinfleisch nach Dylan Jones

Die Angaben für die Paste sollten für Curry für gut fünf Leute reichen, und ich würde auch nicht weniger machen, wenn nur zwei essen. Erstens schmeckt Curry (nicht die Paste!) am nächsten Tag noch besser, und zweitens ist es doch ein gewisser Aufwand, da wäre es schade, nur eine kleine Menge zu fabrizieren.

Foto: Tobias Müller

Die Vorbereitungen beginnen mit dem Fleisch. Dylan nimmt Beinfleisch (Short Ribs), dessen hoher Fettgehalt sich ganz hervorragend mit der Sauce verträgt.

Foto: Tobias Müller

Es wird drei bis fünf Tage in Sojasauce mariniert, zwecks Würzung mitversenkt werden Zitronengras, Kaffir-Limettenblätter, Schalotten und Thaibasilikum.

Foto: Tobias Müller

Ich empfehle, die salzreduzierte Sojasauce zu nehmen, mein Beinfleisch wurde bei der normalen Variante etwas zu würzig. Aus der Marinade nehmen, gut abwaschen und mitsamt den Gewürzen mit Kokosnussmilch bedecken und zwei Stunden bei 160 Grad zugedeckt schmoren, dann den Deckel entfernen und noch eine Viertelstunde bräunen lassen.

Foto: Tobias Müller

Für den Gewürzbrei braucht es:

Etwa 10 kleine grüne scharfe Bird-Chilis (Prik Kii Noo auf Thai)

Einen Teelöffel Koriandersamen, in der Pfanne kurz getoastet, bis sie zu duften beginnen

Einen Teelöffel ebenso behandelte Kreuzkümmelsamen

Die Schale einer halben Kaffir-Limette (das sind die mit der buckligen Schale und nicht zu verwechseln mit normalen Limetten. Ihr Saft ist, im Gegensatz zu ihren bekannten Cousinen, bitter)

Ein, zwei Korianderwurzeln (gibt es oft samt Koriander zu kaufen. Wer welchen im Garten hat: Erst im zweiten Jahr bildet die Pflanze eine geeignete Wurzel aus)

Ein daumengroßes Stück geschälten Galgant (sieht aus wie Ingwer, bloß mit weißlich-rosa Schale, leider ebenfalls nicht durch gewöhnlichen Ingwer zu ersetzen, weil doch deutlich strenger im Geschmack)

Ein ebensolches Stück Gelbwurz

Vier Stängel Zitronengras, das wurzelige untere Ende und der obere grasige Teil abgeschnitten und die äußerste Schicht entfernt. Benutzt wird nur der knollige Teil. (Wer zu viel hat: Zitronengras lässt sich sehr gut einfrieren)

Je nach Größe zwei bis drei Zehen Knoblauch

Zwei bis drei Schalotten

Einen guten Teelöffel Shrimppaste

Foto: Tobias Müller

Alles oben Genannte entweder klein schneiden oder in den Häcksler werfen. Anschließend im Mörser zu einer Paste stampfen. Zwei Esslöffel von der frischen Paste in etwa einem achtel Liter Kokoscreme oder dem abgeschöpften Fett braten. Sie ist fertig, wenn Sie daran riechen und niesen müssen, schreibt Dylan. Wenn die Küche kräftig danach riecht, reicht es auch. Mit einem ordentlichen Schuss Fischsauce (Asiashop) ablöschen.

Jetzt das Gemüse dazukippen. Dylan nimmt Apfelmelanzani, geachtelt, Erbsenmelanzani und Palmherzen. Leicher erhältliche Kombinationen wie Karotten, Zucchini und Bambussprossen tun es aber auch.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Mit Kokosmilch und einigen Löffeln vom Fleischschmorsud aufgießen und köcheln lassen, bis das Gemüse einigermaßen weich ist.

Foto: Tobias Müller

Das Beinfleisch in mundgerechte Happen schneiden, dazugeben und durchwärmen. Kurz vor dem Servieren mit zerrissenen Kaffir-Limettenblättern (nicht zu wenige), Thaibasilikum und weißem Galgant, klein geschnitten, perfektionieren.

Curry mit mariniertem Rindfleisch, nicht so ansehnlich
Foto: Tobias Müller

Wer das Ganze mit Huhn oder Ente macht, zerlegt den Vogel mitsamt den Knochen, brät die Paste im Kokosfett und wälzt die Fleischteile kurz in dem Sud. Anschließend wird der Vogel dann in Kokosmilch weich gekocht, bevor das Gemüse dazugegeben wird.

Curry mit Huhn, nicht beschrieben, aber hübscher
Foto: Tobias Müller

Der Südostasiate serviert das Curry nebst Reis gern mit einer Schüssel Thaibasilikum und kühlen, knackigen Gurkenscheiben, um die scharf-samtige Sauce zu kontrastieren.

Danksagung

Ich danke der gesamten STANDARD-Chronik-Redaktion, die aufopferungsvoll den ersten Currypasten-Versuch über sich ergehen ließ und auch noch gelobt und mitgeschnipselt hat – insbesondere Kollegin F. K., die die Sauhacke des Grüne-Papaya-Schneidens übernahm (für den Salat), und Chefin S., deren Wohnung wir verwüsten durften. (Tobias Müller, derStandard.at, 28.5.2012)