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Beim Reycling von Computern, Handys und anderen Elektro- und Elektronikgeräten sind Umweltschutz und Industrie aufeinander angewiesen, sagt Carbajosa.

Foto: Reuters/Juan Carlos Ulate

STANDARD: Kann man die Massen alter Handys, PCs oder Tablets im Recycling bewältigen?

Carbajosa: Je höher der Wohlstand, desto höher ist die Zahl derartiger Altgeräte. Jeder Konsument aus der europäischen Mittelschicht besitzt bis zu 20 elektrische und elektronische Geräte, angefangen von Digitalkameras über Smartphones und Fernseher bis zum Geschirrspüler. Wir sind es, die viel verantwortungsvoller mit derartigen Abfällen sein müssen, nicht nur der Umwelt wegen, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

STANDARD: Wie sieht der wirtschaftliche Nutzen aus?

Carbajosa: Die meisten Geräte bestehen aus Plastikarten auf Erdölbasis, die ohne großen Aufwand wiederverwendet werden können. Wirtschaftlich interessant sind Seltene Erdmetalle. Einige davon sind zugleich hochtoxische Abfälle. Da sie für die Industrie von hohem Wert sind, kann ihr Recycling kostendeckend sein. Beide, Umweltschutz und Industrie, sind aufeinander angewiesen. Nur so können wir unsere gewohnten Lebensqualität erhalten und bestenfalls steigern.

STANDARD: Noch gibt es natürliche Ressourcen.

Carbajosa: Es ist ein Problem des Zugangs. Die Herstellernationen könnten uns nach Belieben den Zugriff verwehren. Europa sollte strategische Reserven anlegen.

STANDARD: Sollten wir länger mit unseren Geräten zufrieden sein?

Carbajosa: Es ist ein Teufelskreis. Wenn wir den Konsum bremsen, bremsen wir damit die Innovation und schädigen eine Industrie, die zum Wohlstand beiträgt. Wir sollten uns bewusster werden, dass wir die Kapazitäten unserer elektronischen Helfer, seien es Laptops oder Smartphones, lediglich zu 15 Prozent nutzen. Nach zwei Jahren ist es für uns alt geworden, ohne dass wir es je wirklich genutzt hätten. Man sollte ein Produkt wählen, das auf die Bedürfnisse zugeschnitten ist.

STANDARD: Wie viel wird illegal entsorgt oder nach Afrika verschifft?

Carbajosa: Es ist viel, aber ich habe noch keine exakte Zahlen. Wir wollen mit Hilfe Interpols erheben, wie groß der illegale Markt ist. Der illegale Export ist verboten, doch häufig wird der Müll als Gebrauchtware getarnt verschifft. Senegal hat das Problem sehr effizient lösen können, indem es den Zoll von gebrauchten Geräten auf jenen neuwertiger anglich.

STANDARD: Die Müllberge sind damit in andere Staaten wie Ghana gewandert.

Carbajosa: Traurig, aber wahr.

STANDARD: Sollte man EU-weit die Strafgesetze für illegale Entsorgung und Export verschärfen?

Carbajosa: Das ist absolut notwendig. Man muss unbedingt verhindern, dass der Müll die EU verlässt. Schon aus industriepolitischer Sicht dürfen wir es uns nicht erlauben, dass die Rohstoffe für uns verloren gehen. Aus moralischer Sicht dürfen wir es uns nicht auflasten, dass wir den gesamten Planeten damit verpesten.

STANDARD: Sind die Österreicher gut im Recycling?

Carbajosa: Sie sind fleißig. Mit fast zehn Kilo pro Kopf liegen sie vor Deutschland. Die Schweiz war ein Pionier bei der Gesetzgebung für Elektronikabfälle. Sie ist bereits seit über 20 Jahren in Kraft ist. Österreich zog wenig später nach. Die EU ließ sich bis 2005 Zeit.

STANDARD: Welche EU-Staaten sind schwarzen Schafe?

Carbajosa: Griechenland, Spanien, Italien und Portugal, gefolgt von Ländern in Zentral- und Osteuropa. Unschärfen resultieren aus schwankenden Lebensstandards. Portugal konsumiert nun weniger, darum fällt weniger Abfall an, ganz zu Schweigen von Griechenland.

STANDARD: Kann das Ziel einer 85-prozentigen Recyclingquote bis 2020 erreicht werden?

Carbajosa: Die neue EU-Richtlinie ist noch nicht publiziert worden, obwohl sie im März angekündigt war. Anstelle von einem Richtwert von vier Kilogramm Elektronikabfall pro EU-Bürger gilt es dann einen Prozentsatz zu erreichen. Es wird sehr schwer werden, 85 Prozent zu erreichen. (Jan Marot, DER STANDARD, 18.5.2012)