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Angeloben, auflösen, noch einmal neu wählen: Der Präsident des Obersten Verwaltungsgerichtshofs, Panagiotis Pikrammenos (67), ist zum neuen Übergangspremier ernannt worden. Er löst einen anderen Interimspremier ab - Lukas Papademos. Am 17. Juni wählen die Griechen wieder.

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Der Gerichtspräsident und neue griechische Übergangspremier, Pikrammenos, scherzt über seinen Namen. Doch sonst gibt es wenig zu Lachen.

Er schläft nicht mehr viel, sein Gesicht ist ein wenig aufgedunsen, und auch sonst ähnelt Alexis Tsipras einem jungen Boxer, der sich angefeuert von einem ersten Sieg nun Runde für Runde durchschlägt. Vom Rednerpult des Parlaments teilte der Führer der linksradikalen griechischen Parteienbündnisses Syriza bei der Eröffnungssitzung am Donnerstag aus, vornehmlich nach rechts zu den Konservativen und nach halb links zu den Sozialisten der Pasok. Aber auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bekam als Hüterin des Austeritäts-Gedanken in Europa ihren Teil ab. Die "alte politische Welt" sei überflüssig geworden, rief Tsipras aus.

Tsipras Gefolgsleute füllen den linken Teil des Parlaments in Athen aus. 52 Sitze, viermal mehr als im alten Parlament, hat Syriza bei den Wahlen am 6. Mai erhalten. Auf der anderen Seite des Saals sitzen erstmals die Faschisten - 20 Männer und eine Frau. Es dürfte das kurzlebigste Parlament in der Geschichte der griechischen Republiken sein. Schon am Freitag wird Staatspräsident Karolos Papoulias die Auflösung erklären. Nochmalige Wahlen sind notwendig geworden, weil sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen konnten. Bei der nächsten, für 17. Juni angesetzten Runde kann Alexis Tsipras auf ein noch besseres Ergebnis hoffen. 21 bis 25 Prozent sagen ihm die Umfragen derzeit voraus. Die Linksradikalen könnten zur stärksten Kraft werden.

Ob sie dann aber auch eine Mehrheit zum Regieren finden, ist eine andere Frage. Das derzeitige Patt zwischen Sparkurs-Gegnern und jenen, die sich an die Kreditvereinbarungen im Großen und Ganzen halten wollen, könnte auch fortdauern.

Tsipras' sind die Regierungsparteien von früher, die einst gefürchteten Wahlmaschinen aus der "alten politischen Welt". Mehr als drei Jahrzehnte lang traten Nea Dimokratia und Pasok gegeneinander an und wechselten sich an der Macht ab. Jetzt, in der tiefsten Wirtschaftskrise, sind die Linksradikalen ihr gemeinsames Ziel geworden. Antonis Samaras, der Chef der Konservativen, eröffnete bereits den neuen Wahlkampf und attackierte Syriza. "Das griechische Volk hat zwei Wege vor sich", sagte Samaras. "Der eine ist, alles in Griechenland zu ändern, innerhalb eines Europas, das sich auch ändert. Der andere ist den Schrecken des Euro-Austritts zu erleben, den Schrecken der Isolation, außerhalb Europas, und den Zusammenbruch all dessen, was wir bis heute aufgebaut haben."

Griechen leeren Bankkonten

Der Schrecken vor dem Hinauswurf aus der Eurozone sitzt vielen Griechen bereits jetzt im Nacken: 700 Millionen Euro sind seit den Wahlen vom 6. Mai von den Bankkonten abgehoben oder ins Ausland überwiesen worden, gab Staatspräsident Papoulias bekannt. Lange Schlangen vor Geldautomaten sind in Athen allerdings nicht zu sehen. Die Europäische Zentralbank (EZB) verweist angeschlagene griechische Banken an die Notfallkredite der griechischen Notenbank.

Bis zu den Neuwahlen führt eine Übergangsregierung die Geschäfte. Mit Panagiotis Pikrammenos wurde der Verfassung gemäß der Präsident eines hohen Gerichts zum Übergangsregierungschef ernannt. Der 67-jährige Präsident des Obersten Verwaltungsgerichtshofs scherzte über seinen Namen, der sehr gut zur derzeitigen Lage des Landes passe: "Pikrammenos" bedeutet so viel wie "der Verbitterte". Sein Kabinett besteht aus Uni-Professoren und Ex-Ministern. Der neue Finanzminister Giorgos Zanios ist Ökonom der Wirtschaftsuni Athen; er war auch an den Verhandlungen über den Schuldenschnitt mit den Privatbanken beteiligt.

Am wirtschaftlichen Sachverstand des Linksbündnisses Syriza tauchen Zweifel auf. Führende Parteimitglieder melden sich mit widersprüchlichen Aussagen zum Euro-Austritt zu Wort. Tsipras selbst gab in Interviews ob seiner mäßigen Englischkenntnisnur schlichte Botschaften ab. (Markus Bernath aus Athen /DER STANDARD, 18.5.2012)