Industrielle Stadt war gestern. Moderne Städte orientieren sich an Zufall, neuen Technologien und ökonomischem Druck, sagt Manfred Schrenk, Obmann der Real Corp, im Gespräch mit Peter Matzanetz.

STANDARD: Mixed Use als Motto der Stadtplanung - was bedeutet das genau?

Schrenk: Das Auseinanderdividieren der Nutzungen ist ja ein relativ junges Phänomen, das mit der Industrialisierung begonnen hat. Dieses Konzept, das für die damalige Zeit die richtige Antwort war, hat sich einfach überlebt. Viele der Jobs, die es heute gibt, kann man ohne Weiteres auch in einem Wohnviertel ausüben. Von den Rahmenbedingungen her, also von den gesetzlichen Vorgaben, sind Mixed Uses aber gar nicht so einfach umzusetzen.

STANDARD: Was ist das Problem?

Schrenk: Die Charakteristik von Mixed Uses ist, dass man die konkreten Nutzungen im Vorhinein noch nicht kennt. Einen sechsten oder siebenten Bezirk, wie es ihn in Wien gibt, kann man unmöglich planen, denn kreative Mischung ist planlich nicht verordenbar. Sie muss passieren. Doch das steht im Gegensatz zu den Interessen von Politikern und Investoren.

STANDARD: Wie kann man räumlichen Entwicklungen auf die Sprünge helfen? Welche Rolle spielen dabei die neuen Technologien?

Schrenk: Wir haben derzeit ein interessantes Projekt am Laufen: Der Mobilitätsausweis für Immobilien verfolgt die Idee, Mobilitätskosten bei der Wohnstandortwahl transparent zu machen. Mit den Komponenten Miete, Kaufpreis und Betriebskosten einer Wohnung können die Leute schon gut umgehen. Beim Pendeln ist es schwieriger. Diese Kosten sind eigentlich nicht transparent. Das neue Tool soll helfen, bestimmte Wohnstandorte miteinander zu vergleichen, indem es die Gesamtkosten aufzeigt und zusätzliche finanzielle Belastungen bestimmter Standorte transparent macht.

STANDARD: Wo findet heute innovative Städteplanung statt?

Schrenk: Es gibt Entwicklungen, die unter dem Namen "Underground Urbanism" forciert werden. Es hat sich herausgestellt, dass es ab einem gewissen ökonomischem Druck Sinn macht, mit städtischen Strukturen auch in den Untergrund zu gehen. In Kanada und den skandinavischen Ländern wird neben dem Erdgeschoß - nicht zuletzt auch aus klimatischen Gründen - gezielt auch die unterirdische Ebene einer Stadt für öffentliche Nutzungen gebraucht. Ich finde diese Entwicklung sehr interessant. (DER STANDARD, 19./20.5.2012)