Die Kritik an Burhan Ghalioun, dem Präsidenten des Syrischen Nationalrats (SNC), dem wichtigsten syrischen Ansprechpartner für die internationale Gemeinschaft, ist nicht neu: Im Herbst 2011 hieß es aus Kreisen des neugegründeten SNC bereits, Ghalioun habe sich handstreichartig selbst zum Chef gemacht. Es sollte nur eine Übergangslösung sein - die im Februar verlängert wurde. Als er nun am Dienstag wieder bestätigt wurde, war das für die wichtigen "LCCs" (Local Coordination Committees) das Ende jeder Hoffnung auf Reform im zerstrittenen, von den Muslimbrüdern dominierten SNC. Sie kündigten ihren Austritt an. Nun stellt Ghalioun sein Amt zur Verfügung.

Ob das den SNC noch retten wird, ist fraglich, denn immerhin wurde Ghalioun ja gewählt - und nicht der Christ George Sabra, der den syrischen Minderheiten Vertrauen in die Post-Assad-Zeit geben sollte. Ghalioun ist der Liebling der Muslimbrüder, obwohl im Internet ein Video aus der Zeit vor dem Aufstand zirkuliert, auf dem er die Übel von Diktatur und politischem Islam gleichsetzt.

Ghalioun, Liebhaber von Luxushotels - von denen er gerne Schaltungen in die zerbombten Widerstandsorte Syriens legen lässt -, ist dafür verantwortlich, dass die internationale Gemeinschaft kein Vertrauen in die syrische Opposition hat. Dass Bashar al-Assad weg muss, darin stimmen alle überein. Aber keiner traut dem SNC zu, dass er die Lage danach auch nur annähernd kontrollieren kann. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 19.5.2012)