Eva Grieshuber ist Beraterin bei ICG Integrated Consulting Group.

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STANDARD: Warum ist der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) so schwer greifbar?

Grieshuber: Weil man die Art und Weise, wie CSR in den Unternehmen implementiert wird und Fuß fasst, nicht über einen Kamm scheren kann. Jedes Unternehmen hat andere Ziele, unterschiedlich relevante Themen im Feld der CSR, denen es nachgeht. CSR ist nicht verkürzt und einfach darstellbar, es ist ein hochkomplexes Themenfeld. Das ist sicher eine der größten Hürden - auch in der Kommunikation nach innen wie nach außen.

STANDARD: Häufig hört und liest man von punktuellen Vorstößen, hat aber selten den Eindruck, dass diese auch Auswirkung auf die gesamte Unternehmung haben. Woran liegt das?

Grieshuber: Das sind Aspekte, mit denen ich als Beraterin auch zu kämpfen habe. Zum einen sind CSR und Nachhaltigkeit Themen, die wir in unserem unmittelbaren Alltag nicht spüren, deshalb besteht auch kein Handlungsbedarf. Und ohne Handlungsbedarf gibt es auch keine Veränderung. Es muss also ein attraktives, kompaktes und verständliches Zukunftsbild angeboten werden, um vom Ist-Zustand wegzukommen. Wenn beides fehlt, bleibt jede Bewegung in Richtung CSR ein kurzfristiger Impuls oder bleibt im besten Fall am Radar, aber meistens nicht mit Energie und Herzblut.

STANDARD: Wo sehen Sie das zentrale Moment, damit CSR-Aktivitäten langfristig erfolgreich sind?

Grieshuber: Es ist die Frage nach dem konkreten Business-Nutzen. Wenn man diese Verbindung über Kostensenkung oder Nutzung von Diversität nicht herstellen kann, dann bleibt CSR ein Add-on, das man sich dann umhängt oder auch nicht. Jedes Unternehmen muss für sich klären, was die jeweilige Ambition beim Thema ist: Verfolgt man damit strategisches Risikomanagement, Effizienzsteigerung oder Wettbewerbsvorteile und Innovation? Oder hat man ethisch normative Zielsetzungen - will man " etwas Gutes tun"? Wobei ich Letzterem eher skeptisch gegenüberstehe.

STANDARD: Warum?

Grieshuber: Weil es bei CSR primär nicht darum geht, die Welt zu verbessern. Das muss nicht sein. Viele stehen in diesem ideologisch normativen Eck und werten damit andere ab. Ich denke, es ist wichtig, dass man von dieser Ideologie weggeht und die Dinge pragmatisch angeht, dabei aber seine Visionen nicht vergisst.

STANDARD: Für manche eine schwierige Aufgabe ...

Grieshuber: Das Schwierigste dabei ist, eine gewisse Spannung aufrechtzuerhalten. Weil es in Unternehmen einerseits oft die Utopisten gibt, die nicht anschlussfähig sind, weil sie gar schräg daherkommen und deshalb nichts verändern können. Und andererseits die Zuseher, die ebenso wenig bewegen, weil sie im Status quo verweilen. Man kann das System nur aus dem System heraus, pragmatisch, aber mit visionären Ansätzen verändern.

STANDARD: Wie bewerten Sie die Umsetzung von CSR ganz allgemein in den Unternehmen?

Grieshuber: Da bin hin und her gerissen. Ich sehe viele Unternehmen, die CSR seit vielen Jahren sehr engagiert, authentisch und wirkungsvoll leben - und zwar in allen Dimensionen, ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Das sind viele kleinere und mittlere, häufig eigentümergeführte Unternehmen, oft Nischenunternehmen darunter. Und auf der anderen Seite gibt es jene, die das Thema "green washing" mit mehr oder weniger starken Auswirkungen betreiben, wobei ich denke, dass es dort tatsächlich Menschen gibt, denen das Thema ein Anliegen ist, aber eben die Gefahr besteht, dass es zu "green washing" verkommt, wenn man es als " Mascherl" macht.

Es ist wichtig, zu wissen, dass man nicht nachhaltig sein, sondern immer nur werden kann. Man muss wissen, was einem wichtig ist, wofür man steht und worin der Unternehmensauftrag besteht. Dergestalt Werte zu leben heißt nicht zu sagen: Wir sind die Guten, weil wir die Welt verbessern, und du bist schlecht. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 22.5.2012)