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David Alaba

Foto: REUTERS/Michaela Rehle

Die "Mannschaft um David Alaba", wie der in diesen Tagen eher glücklose Verein von österreichischen Sportjournalisten gelegentlich definiert wird, hatte sicher nicht damit gerechnet, auf so bittere Weise erfahren zu müssen, wie es ist, eine Mannschaft ohne David Alaba zu sein. Wenigstens bleibt der Mythos unbeschädigt, eine Mannschaft mit David Alaba wäre der gegnerischen aus dem überaus perfiden Albion spielend Herr geworden, ein Verdienst, das dem Schiedsrichter zukommt, der dafür gesorgt hat, dass die Mannschaft vorbei an David Alaba aufs Feld lief.

So blieb ihm Zeit, den Lesern des "Kurier" Samstag über drei Viertel einer Seite David und seine starken Männer vorzustellen, oder wie es auf " Kurier"-Deutsch hieß: "Alaba erzählt über seinen Freund Ribéry, seinen Förderer Gomez und andere Geheimnisse von seinen Mitspielern". Leider wandelten sich die "Geheimnisse von seinen Mitspielern" am Abend nicht in jene Offenbarung, als die sie den Konsumenten angetragen wurden. So enthüllte der Gesperrte etwa von Mario Gomez: "Er ist physisch so stark wie ein Monster und ist immer für zumindest ein Tor gut." Weniger monströs, eher familiär, die Einschätzung Ribérys. "Franck ist mein Bruder in der Mannschaft. Er hat viel Blödsinn im Kopf." Vielleicht lag es daran, dass sich die ihn betreffende Prophezeiung nicht erfüllte: "Ich glaube und hoffe, dass er am Samstag Chelsea abschießt."

"Diego Contento ist zwar in Deutschland geboren, aber durch und durch Neapolitaner, Anatoli Timoschtschuk ist ein richtiger Kindskopf, Jérome Boateng hat mehr als 400 Paar Sneakers, Arjen Robben kann Spiele alleine entscheiden", Bastian Schweinsteiger hingegen, "Schweini, ist das Herz der Mannschaft und der Chef auf dem Platz. Privat ist er ein ganz chilliger Typ. Er ist im Kopf auch noch sehr jung", ein Leiden, das sich seit Samstagnacht gebessert haben dürfte. Der Kapitän indes, "Philipp Lahm strahlt viel Ruhe aus. Er ist auch für viele Späße zu haben. Zuletzt hat er mit mir Wienerisch gesprochen und mich 'Wappler' gerufen". Eine Anerkennung echten Wienertums, wie sie nur einem entfahren kann, der "viel Ruhe ausstrahlt".

Das ist nicht jedem gegeben. Sicher nicht einem "F. X. Seltsam", der im freiheitlichen Organ "Zur Zeit" das "Tagebuch einer Rassisten" (sic!) führt und dort zur Person David Alabas die Frage stellte: "Bedeutendster 'Österreicher'?" Dem Autor ging es dabei um rassenreine Äußerlichkeiten. Was ihn verwirrte? "David Alaba aus Wien läßt sich gerne in Lederhose abbilden und mit der Aussage zitieren 'Ich bin ein echter Wiener'". Es ist aber nicht der modische Stilbruch, der ihn stört und der auch Philipp Lahm entgangen sein muss. Nein. "Nichts besonderes wäre das, wenn der 19jährige echte Wiener - zurzeit möglicherweise medial der bedeutendste Österreicher - nicht pechrabenschwarz wäre." Ein weiterer Umstand, der Lahm in seiner Einschätzung des Wieners nicht behinderte.

"Der Sohn eines nigerianischen Gesangskünstlers und einer Philippinin ist also das typische Wiener Produkt unserer wunderbaren multikulturellen Zuwanderungsgesellschaft", versuchte der Autor eine Welt ohne Nürnberger Gesetze zu begreifen. "Aber so sehen die echten Wiener unserer Tage nunmehr aus. Wenn Karl Lueger, der die Zuwanderer in die damalige Reichs- und Residenzstadt noch auf den 'deutschen Charakter' der Stadt einschwören ließ, nunmehr aus dem Straßenbild verbannt wird, paßt dies ganz gut zu dieser Entwicklung." Ob sich die Pechrabenschwärze des Ballesterers nach einem Schwur auf den "'deutschen Charakter' der Stadt", zu der er doch schon ein falsches Zeugnis "in Lederhose" abgelegt hat, lichten würde, käme auf einen Versuch an. Aber nicht einmal ein Verzicht auf die Lederhose, geleistet vor einem Bürgermeister, dem alles Luegerische abgeht, könnte das Problem des freiheitlichen Ethnologen lösen, stellte er doch "die Frage, wofür die autochthonen Österreicher und die eingeborenen Wiener überhaupt noch gut sind?"

Eine berechtigte Frage, wenn man die Leistungen "autochthon" österreichischer Fußballer bedenkt und das Autochthone an David Alaba vergisst. "Nur noch der Blick auf die Altersheime läßt uns erahnen, was 'wirkliche Österreicher' und 'echte Wiener' dereinst waren." Und selbst diese Ahnung wird sich den Nostalgikern von "Zur Zeit" unabwendbar trüben, wenn dereinst auch "pechrabenschwarze wirkliche" Österreicher die autochthonen Altersheime bevölkern.

Heiliger Lueger hilf! (Günter Traxler, DER STANDARD, 22.5.2012)