Selten hat ein neuer Staats- oder Regierungschef einen so glänzenden Start in den internationalen Medien gehabt wie der sozialistische Wahlsieger François Hollande in Paris. Die Unterschiede in Stil und Ton gegenüber seinem sprunghaften Vorgänger haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Der neue Präsident hat die 34 Mitglieder seiner Regierung einzeln zum ersten Ministerrat begrüßt, bevor sie alle eine Ethikcharta unterzeichneten, die Machtmissbräuchen und Ämterhäufung ein Ende setzen soll. Darüber hinaus verpflichteten sie sich zu einer Gehaltskürzung um 30 Prozent.

In der neuen Regierung wurde zum ersten Mal die paritätische Zusammensetzung (ein Wahlversprechen Hollandes) verwirklicht: sie besteht aus 17 Frauen und 17 Männern. Die gesellschaftliche Öffnung soll die Multikulturalität des Landes widerspiegeln: Jeder fünfte Minister hat Migrationshintergrund. Die Regierungssprecherin kam als Kind aus Marokko, der Innenminister ist in Barcelona geboren. Der 62 Jahre alte Premierminister Jean-Marc Ayrault, ein ehemaliger Deutschlehrer und langjähriger Fraktionschef der Sozialisten im Parlament, steht an der Spitze einer Regierung der neuen Gesichter: 30 der 34 Kabinettsmitglieder gehörten nie zuvor einer Regierung an. Kein Wunder, zumal das Land mit Hollande zum ersten Mal seit 17 Jahren einen linken Präsidenten hat.

Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass in fünf Schlüsselpositionen in der Regierung Sozialisten sitzen, die 2005 im Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag mit "Nein" stimmten, allen voran der neue Außenminister, die "Nummer zwei" im Kabinett, der 65-jährige ehemalige Premierminister Laurent Fabius. Mit Hollande will Fabius, der den neuen Präsidenten auch bei seinem Antrittsbesuch in Washington und bei den diversen internationalen Gipfeltreffen begleitet, die deutsche Dominanz in der EU und in der Eurozone mit lautstarken Bekenntnissen zur Priorität des Wachstums und der Beschäftigung brechen.

Auch sein Vorpreschen in der Afghanistan-Politik der Nato - mit der Ankündigung, die französischen Truppen bis Ende des Jahres abzuziehen - gehört zu den vielen Versprechen, die der Sozialist im Wahlkampf gemacht hat.

Was François Hollande bisher schnell und geschickt präsentiert hat, waren Gesten einer Symbolpolitik, die in einem Land mit mehr als 10 Prozent Arbeitslosigkeit, mit schwachem Wachstum und steigender Staatsverschuldung positiv aufgenommen wurden. Der gewonnenen Präsidentenwahl folgt aber jetzt die Kampagne für die Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni. Ob die Linke auch in der Nationalversammlung eine Mehrheit gewinnt, muss dahingestellt bleiben.

Die Aussichten für die deutsch-französische Partnerschaft, die wichtigste Vorbedingung für die Zukunft der Eurozone, sind - auch wegen Angela Merkels schrumpfende Machtposition - nicht gerade rosig. "Man muss verrückt sein zu glauben, jetzt sei die große Stunde der Nationalstaaten gekommen", warnte kürzlich der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker die Europäer vor einem Rückfall in den Nationalismus. Wahltaktisch motivierte faule Kompromisse in Paris, aber auch in Berlin würden die Eurozone an den Rand des Abgrunds bringen. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 22.5.2012)