Innsbruck/Wien - Ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC) ist - neben gasförmig, fest oder flüssig - ein eigener, exotischer Materiezustand, der bei sehr tiefen Temperaturen auftreten kann: Kühlt man Bosonen (das sind Atome, die sich aus einer geraden Zahl von Protonen, Neutronen und Elektronen zusammensetzen und deshalb "ganzzahligen Spin" haben) auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, nehmen sie den Zustand mit der geringstmöglichen Energie ein, sie bilden ein BEC. In einem solchen Zustand haben die Teilchen ihre Individualität völlig verloren und schwingen im gleichen Takt - so wie Lichtteilchen in einem Laser im Gleichschritt schwingen. Innsbrucker Physikern ist es nun erstmals gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus dem Element Erbium zu erzeugen.

Die Tiroler Physiker sind damit Weltmeister, wenn es um die Kondensation verschiedener Elemente geht. Von den 13 Elementen, die bisher in ein BEC kondensiert werden konnten, wurden gleich drei in den Innsbrucker Labors erstmals hergestellt. Die aktuelle Arbeit von Francesca Ferlaino und ihrem Team wurde nun in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" veröffentlicht.

Bisher wurden erst 13 Elemente zu einem BEC kondensiert. "Keine andere Gruppe weltweit hat auch nur zwei Erstkondensationen, wir haben nun sogar drei geschafft", sagte Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Ihm und seinem Team gelang es 2002 erstmals, Cäsium zu kondensieren, 2009 folgte Florian Schreck mit dem ersten BEC aus Strontium. Nun konnte Ferlaino ein Kondensat von Erbium herzustellen. Sie hat in Zusammenarbeit mit Grimm einen einfachen Weg gefunden, dieses komplexe Element mit Hilfe von Laserkühlung und Verdampfungskühlung extrem stark abzukühlen.

Quantenmagnetismus mit kalten Atomen

Dank seiner besonderen Eigenschaften - Erbium ist vergleichsweise schwer und besitzt einen stark magnetischen Charakter - erlaubt dieses Element neue Möglichkeiten zur Untersuchung fundamentaler Probleme der Quantenphysik. "Experimente mit Erbium ermöglichen uns neue Einblicke in die komplexen Wechselwirkungseigenschaften stark korrelierter Systeme und bieten vor allem auch neue Ansatzpunkte für die Untersuchung des Quantenmagnetismus mit kalten Atomen", so Ferlaino, die 2009 mit dem österreichischen Start-Preis und 2010 mit einem Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) ausgezeichnet wurde. Das Erbium-BEC soll nach Angaben der Wissenschafter auch neue Möglichkeiten zur Untersuchung geophysikalischer Phänomene wie Wirbelwinde oder der Dynamik von komplexen Proteinen in der Biophysik liefern. (APA/red, derstandard.at, 22.5.2012)