Reggae-Ikone Bob Marley

Foto: EMW

Wien - Der Mann, der 1981 im jamaikanischen Kingston zu Grabe getragen wurde, hat der Welt Hymnen wie One Love oder No Woman No Cry hinterlassen und zornige Moritaten wie I shot the Sheriff. Er hat den Reggae miterfunden und ab Mitte der 1970er-Jahre weltweit verbreitet, er ist mit dafür verantwortlich, dass sich selbst blonde Europäer Dreadlocks filzen lassen und grün-rot-gelbe Mützen tragen. Er ist eine Ikone der Popkultur, aber seine Lebensgeschichte ist hinter seinem Werk inzwischen vergleichsweise verschwunden.

Der Dokumentarfilm über das Leben Bob Marleys, der nun im Kino läuft, schafft Abhilfe. Es handelt sich dabei um eine Art Familienunternehmen, produziert haben unter anderem Ziggy Marley, einer der Söhne von Bob und seiner Frau Rita, und Marleys ehemaliger Label-Boss Chris Blackwell. Zuerst tauchte der Film vor rund vier Jahren auf der Projektliste von Martin Scorsese auf, nach dessen Ausstieg sollte Jonathan Demme übernehmen. Schlussendlich hat der Schotte Kevin MacDonald (State of Play u. a.) bei Marley Regie geführt. Der Film ist an der Chronologie der Lebensgeschichte seines Protagonisten ausgerichtet, neben viel Archivmaterial kommen in neu geführten Interviews zahlreiche private und berufliche Weggefährten zu Wort.

Die Lebensgeschichte Bob Marleys beginnt 1945 im jamaikanischen Dorf Nine Mile. MacDonald holt dort erste Erinnerungen von Zeitgenossen und Familienangehörigen ein. Auf einem alten Foto sieht man einen weißen Uniformierten zu Pferde: der abwesende Vater und Bob Marleys Herkunft als diskriminierter "half-caste" werden als eine mögliche kreative Triebfeder identifiziert. Mit 16 nimmt Bob seine erste Single auf, Judge Not heißt der Song.

Im Einsatz der filmischen Mittel ist Marley nicht unbedingt subtil - wiederholt fliegt die Kamera bedeutungsvoll übers grüne jamaikanische Hügelland, etwa wenn der kleine Bob mit seiner Mutter aus dem Dorf nach Kingston zieht. Aber aus der Vielfalt des eingebrachten Bild- und Tonmaterials ergibt sich mit der Zeit ein recht komplexes Bild, das vielen Facetten - und Widersprüchlichkeiten - Platz einräumt.

Marley als schüchterner Junge und energetischer Bühnenperformer, als gläubiger Rastafari und Mann, der die Frauen liebte - und der elf Kinder mit sieben Frauen hatte. Als ehrgeiziger Freizeitkicker vorm Haus in Kingston, als globale Celebrity in Riesenstadien, als politischer Vermittler und schließlich als gezeichneter, gerade 35-jähriger Krebspatient im verschneiten Rottach-Egern.

Die Musik kommt dabei vergleichsweise fast zu kurz. Nummern, Live-Auftritte werden zwar fortwährend angespielt, aber nach ein paar Takten wird dann drübergequasselt. Wenigstens einmal würde man dem quirligen Mann gern in Ruhe zusehen und zuhören und selbst eine Ahnung von jener Intensität bekommen, die so vor allem wortreich beschworen wird. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 23.5.2012)