Mikroben in nährstoffarmen Ozeangebieten zählen zu den genügsamsten Kreaturen, die es gibt. Die Mikroorganismen existieren in tief liegenden Sedimentenschichten und leben davon, was vor über 80 Millionen Jahren an totem Plankton von der Oberfläche herabgeregnet ist - und das war schon damals so gut wie nichts: Die Ablagerungen wachsen an solchen Orten um nur einen Millimeter pro Tausend Jahre. Um in den Tiefen des Meeresbodens zu überleben, muss praktisch jegliche nicht-lebensnotwendige Aktivität einstellt werden. Dazu gehört vermutlich auch die Zellteilung.

Die Nährstoffkonzentration im Wasser bestimmt die Menge an Plankton, welches sich in den oberen Metern der Wassersäule vermehrt. Ein Teil des Planktons sinkt nach dem Absterben bis auf den Meeresboden ab, wo es zusammen mit anderen Partikeln abgelagert wird. Die Ablagerungsgeschwindigkeit kann je nach Meeresgebiet stark schwanken und reicht von unter einem Zehntel Millimeter pro tausend Jahre bis zu mehreren Zentimetern pro Jahr. Etwa 40 Prozent der Weltmeere sind Gebiete mit extrem niedrigen Nährstoffkonzentrationen und Ablagerungsraten. Während das Wasser im äquatorialen Pazifik relativ nährstoffreich ist, sind die Gebiete nördlich und südlich davon extrem nährstoffarm.

Ein internationales Forscherteam hat die vertikale Beschaffenheit von nährstoffarmen Meeresböden genauer analysiert. Die Daten dafür stammen von einer 43-tägigen Expedition mit dem amerikanischen Forschungsschiff "R/V Knorr" im Jahr 2009, die von Costa Rica an den Galapagos Inseln vorbei bis nach Hawaii führte. Die Inselgruppe liegt im sogenannten Nordpazifischen Wirbel, der nach dem südpazifischen Wirbel das nährstoffärmste Meeresgebiet auf der Erde ist.

Aktivität hängt von Nahrungsangebot ab

Die Ergebnisse dieser Studie, an der auch die Geoforscher Jens Kallmeyer und Rishi Ram Adhikari von der Universität Potsdam beteiligt waren, konnten zum ersten Mal zeigen, dass die Größe und Aktivität der mikrobiellen Gemeinschaft in tieferen Schichten des Meeresbodens unter extrem nährstoffarmen Bedingungen durch die Sedimentationsrate beziehungsweise die Menge des ins Sediment eingebrachten organischen Materials kontrolliert wird.

In den auf der Expedition genommenen Sedimentkernen wurden neben vielen anderen chemischen und biologischen Parametern die Sauerstoffkonzentration und die Anzahl der Mikrobenzellen gemessen.  Dabei zeigte sich folgendes Bild: Am Meeresboden selbst leben in einem Kubikzentimeter Sediment etwa 100 Millionen Mikroorganimen. 20 Meter tiefer sind es immer noch rund tausend Mikroben je Kubikzentimeter. In einer Tiefe von 30 Metern schließlich - eine Schicht, die rund 86 Millionen Jahre alt ist - wurden die Wissenschafter nicht mehr direkt fündig; anhand des Sauerstoffverbrauchs konnten sie aber feststellen, dass es selbst dort aktive Mikroorganismen gibt.

Absolute Untergrenze für Leben

Aufgrund der von Kallmeyer und Adhikari an Bord gemessenen Mikrobendichten war es möglich, die metabolische Aktivität pro Zelle zu berechnen. Diese bleibt ab einer Tiefe von wenigen Metern im Boden auf einem konstanten aber extrem niedrigen Wert. Die Forscher glauben, dass einige Jahrhunderte bis möglicherweise Jahrtausende vergehen, ehe die Biomasse dieser Mikroorganismen einmal komplett ausgetauscht ist.

Bisher glaubte man nicht, dass Zellen bei so geringer Aktivität noch überleben können. Die Wissenschafter halten es daher für fraglich, ob die Mikroben noch in der Lage sind, sich zu teilen, oder ob sie ihren Stoffwechsel ausschließlich dafür nutzen, die chemischen Unterschiede zwischen Zellinnerem und Außenwelt aufrechtzuerhalten und Schäden am Erbgut zu reparieren. Anscheinend handelt es sich bei diesen Werten um die absolute Untergrenze an der Leben noch möglich ist.  (red, derstandard.at, 22.5.2012)