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In einem weiteren Urteil in der Causa Immofinanz hat der OGH zwar bekräftigt, dass Aktionäre aufgrund der Prospekthaftung auf Schadenersatz klagen können. Die Verluste durch die allgemeine Börsenkrise seien aber nicht zu ersetzen.
Ein Jahr nach der richtungweisenden und umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Streit zwischen Christian Niedermeyer und der Immofinanz AG hat ein anderer OGH-Senat die damalige Argumentation bestätigt, aber auch um eine wichtige Facette erweitert.
Der 7. Senat hatte damals erklärt, dass das Verbot der Einlagenrückgewähr - also der Rückzahlung von Eigenkapital an Gesellschafter - nicht verhindern kann, dass Aktionäre aus der Prospekthaftung einen Schadenersatz wegen Irreführung durch den Emittenten erhalten bzw. den Aktienkauf rückabwickeln können (30. 3. 2011, 7 Ob 77/10i).
Doch schon damals verwies der OGH darauf, dass es eine Rolle spielt, welche alternative Anlage der Geschädigte getätigt hätte, wäre er korrekt über das Unternehmen informiert worden. Zur Veranlagung in Immofinanz-Aktien sei die plausible Alternative, so Zivilrechtsexperten wie etwa Georg Wilhelm, nicht ein risikoloses Sparbuch, sondern andere Immobilienaktien.
Der 6. Senat ging anlässlich der Klage eines anderen Anlegers gegen die Immofinanz noch einen Schritt weiter. In ihrer Urteilsbegründung betonen die Richter zuerst ausführlich den Vorrang der Prospekthaftung vor dem Verbot der Einlagenrückgewähr und gehen dabei auch konkret auf die Kritik am Vorgängerurteil in der Literatur ein. Sie bekräftigen weiters die Zulässigkeit der Naturalrestitution - also der Rückabwicklung des Aktiengeschäftes. Doch zum Schluss fügen sie hinzu, dass bei der Schadensbemessung neben Alternativveranlagung auch das allgemeine Marktrisiko zu berücksichtigen sei.
Gefahr der Überkompensation
"Kursverluste, die nicht in Zusammenhang mit dem Beratungsfehler stehen, sind daher vom Anleger zu tragen", schreibt der OGH. Sonst drohe die Gefahr einer Überkompensation, wenn der Anleger den vollen Kaufpreis für eine Aktie zurückerhält, obwohl in der Zwischenzeit der gesamte Aktienmarkt gefallen ist. Dies wäre ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot.
Mangels konkreter Feststellungen dazu, ob überhaupt ein Schaden vorlag, verwies der OGH die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurück.
Der Wirtschaftsanwalt Andreas Zahradnik von Dorda Brugger Jordis, der die Immofinanz vertritt, sieht in dieser neuen Begründung einen wichtigen Punkt für Emittenten. Während die Frage der Alternativveranlagung - etwa Sparbuch, Anleihen oder Aktien - bei Anlageberatern im Vordergrund stehe, könne der Emittent nur über seine Aktien informieren. "Die Entscheidung, in Immobilienaktien zu investieren, hat der Kunde selbst bzw. mit seinem Berater getroffen, sodass das mit diesen Aktien verbundene Marktrisiko nicht auf den Emittenten überwälzt werden kann", sagt Zahradnik. Dies gelte unabhängig von einer hypothetischen Alternativveranlagung. Selbst wenn das Unternehmen Schädigungshandlungen gesetzt habe, gebe es keinen Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Schaden, den der Aktionär durch allfällige Marktverluste erlitten hat. Zahradnik: "Der Schaden oder zumindest der Schadensteil, der durch globale Ereignisse oder negative nationale Marktentwicklungen entstanden ist, kann einen Schadenersatzanspruch des Aktionärs nicht begründen; das Risiko ist von ihm zu tragen."
Diese Entscheidung (6 Ob 28/12d vom 15.3.2012) sollte sich auf zahlreiche laufende Anlegerprozesse auswirken, ist Zahradnik überzeugt. Denn die Verluste der Kläger infolge der Finanzkrise seien zu einem guten Teil von allgemeinen Markttrends oder der schlechten Entwicklung bestimmter Anlageformen wie Immobilienaktien bedingt gewesen. (Eric Frey, DER STANDARD, 23.5.2012)