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Komiker Beppe Grillo vor Anhängern in Turin.

Foto: Massimo Pinca, FILE/AP/dapd)

Wie ein Schreckgespenst des Polit-Establishments sieht der Informatiker Federico Pizzarotti nicht gerade aus: dunkelblaue Jacke, hellbaues Hemd, Jeans - ein Normalbürger. Der Informatiker wirft einen leidvollen Blick auf den Wald von Mikrofonen, die sich auf den Polit-Neuling richten, der für "Parmageddon" zuständig ist. Pizzarotti ist der erste Kandidat aus der Partei Cinque Stelle (Fünf Sterne) des Komikers Beppe Grillo, der zum Bürgermeister einer wichtigen italienischen Stadt aufsteigt.

Mit einem mickrigen Budget von 6000 Euro fügte die Protestbewegung den etablierten Parteien eine mehr als nur symbolische Niederlage zu. Mit 60,2 Prozent deklassierte der noch vor wenigen Wochen unbekannte Newcomer Provinzpräsident Vincenzo Bernazzoli, der 39,8 Prozent bekam.

Das Scheinwerferlicht liebt Pizzarotti nicht. Geduldig erklärt der "Grillino" - kleine Grille, so nennen die Medien liebevoll die Mitstreiter des Komiker-Politikers -, was sich in seiner mit 600 Millionen Euro verschuldeten Stadt ändern wird: "Schluss mit der Postenvergabe an Freunde! Unsere Ziele sind Bürgernähe und Transparenz." Fachliche Kompetenz sei das einzige Kriterium.

Mit 39 Jahren ist der neue Bürgermeister von 190.000 Einwohnern der älteste seines Teams. Den Einfluss Grillos will er nicht überschätzen: "Er pflügt das Feld, auf dem wir säen. Aber hier in Parma habe ich gewonnen, nicht Grillo."

Der Komiker hatte die Stadt im Vorfeld vollmundig zum "Stalingrad" erklärt, zum blutigen Schlachtfeld für Italiens korrupte Parteien: "Und auf Stalingrad folgt der Marsch auf Berlin!" Pizzarotti kann diesem Vokabular nur wenig abgewinnen. Er thematisiert lieber Müllvermeidung, erneuerbare Energie, abgasarmen Verkehr und Mitbestimmung der Bürger. Pizzarottis Triumph ist das sensationellste Ergebnis der Stichwahlrunde der Kommunalwahlen, die am Wochenende für die meisten traditionellen Parteien zum Waterloo wurden. Silvio Berlusconis PDL musste fast überall massive Verluste hinnehmen und wurde sogar in den Hochburgen Monza und Como regelrecht gedemütigt. Von knapp 100 Gemeinden mit über 15.000 Einwohnern konnte man nur 34 halten, von 26 Provinzhauptstädten nur sechs.

Desaster für Berlusconi

PDL-Vorsitzender Angelino Alfano, der in seiner Heimatstadt Agrigento schwer scheiterte, wertete das Ergebnis als "Ausdruck des Erneuerungswillens der Wähler". Nötig seien "neue Inhalte und neue Gesichter". Angesichts der parteiinternen Streits könnte freilich Alfano schon bald selbst Opfer der unvermeidlichen Parteireform werden: Es gilt als offenes Geheimnis, dass Silvio Berlusconi dem Sizilianer nicht die nötigen Fähigkeiten zutraut, im Frühjahr 2013, wenn die Parlamentswahlen anstehen, die Wahl zu gewinnen und Ministerpräsident zu werden - dabei hatte er ihn selbst als dessen Nachfolger installiert.

Die Lega Nord scheiterte in allen sieben Gemeinden, in denen sie den Einzug in die Stichwahl schaffte. Nur in wenigen größeren Städten, wie etwa Verona, konnte man schon im ersten Wahlgang die Macht behaupten. Neoparteichef Roberto Maroni führte das Ergebnis auf den jüngsten Korruptionsskandal zurück: "Diese Niederlage hat die bisherige Führung zu verantworten." Maroni meinte damit Umberto Bossi.

Der Partito Democratico jubelte über einen "Wahlsieg ohne Wenn und Aber" - dabei gewannen in etlichen Städten bloß die Kandidaten verbündeter Parteien, so etwa in Palermo, wo Leoluca Orlando mit 72 Prozent zum vierten Mal Bürgermeister wurde. Die wachsende Politikmüdigkeit der Italiener fand ihren Niederschlag in einer massiv gesunkenen Wahlbeteiligung von nur rund 51 Prozent. Der Corriere della Sera sieht schon das Ende der Traditionsparteien und wertete das Wahlergebnis als "letzte Warnung". (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 23.5.2012)