Bei einem außerordentlichen EU-Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs der Union am Mittwoch in Brüssel eine Aussprache über wachstumsfördernde Maßnahmen abhalten, die auch Linderung der Rekordarbeitslosigkeit bringen sollen. Es werde das aber nur eine " offene Debatte" im Rahmen eines längeren Abendessens sein, hieß es dazu im Vorfeld aus deutschen Regierungskreisen in Berlin: Dies sei "weder ein Entscheidungsgipfel noch ein Gipfel zu Griechenland".
Eine deutliche Absage gab es für alle Pläne, dass die 17 Staaten der Währungsunion Eurobonds - gemeinsam getragene Staatsanleihen - einführen sollten. Mit solchen könnten Projekte etwa in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Verkehr oder Telekom billiger finanziert werden, weil Staaten mit guter Bonität bürgen würden. Die deutsche Regierung lehne dieses Konzept strikt ab, das sei eine "gefestigte Überzeugung". Eurobonds würden dem geltenden EU-Vertrag, Artikel 125, widersprechen, der eine Schuldenübernahme für andere ausschließe. Auch sei dies keine Antwort auf die Schulden- und Strukturkrise, zu deren Bewältigung man unter Zustimmung aller Eurostaaten ein dichtes Paket an Maßnahmen beschlossen habe.
Reden wolle man nur über Infrastrukturprojekte im Rahmen des laufenden EU-Budgets. Am Fiskalpakt dürfe nicht gerüttelt werden. Damit hat Kanzlerin Angela Merkel ihre Rolle passiv angelegt: Sie will neue Finanzierungsinitiativen über das auf dem Tisch liegende Programm hinaus verhindern. Krisenländer müssten durch Sparen bei Staatsausgaben und Flexibilisierung ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Hollandes große Pläne
Sie steht damit im Gegensatz zum neuen französischen Präsidenten Francois Hollande, der das Projekt von Eurobonds als langfristig notwendiges Ziel der Union betrachtet. Er will auch über eine wachstumsfördernde Ergänzung des Fiskal-Sparpaktes reden wie über die Vertiefung der EU, ebenso über ein erweitertes Mandat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Schuldenbewältigung. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass nicht ausgeschöpfte Strukturmittel an Krisenstaaten wie Griechenland oder Portugal gezielt ausgeschüttet werden sollen. Und sie will "Projektbonds". Dabei würden private Investoren in europäische Infrastrukturprogramme investieren. Die Kommission könnte 230 Millionen Euro als Sicherheiten für Kredite bereitstellen, womit Milliardensummen bewegt werden könnten.
Während dabei Konsens bestehen dürfte, ist noch unklar, ob sich die Staats- und Regierungschefs auf die zweite von der Kommission vorgebrachte Maßnahme einigen können: Aufstockung des Kapitals der Europäischen Investitionsbank (EIB) um 10 Mrd. Euro. Die Hausbank der Union finanziert viele europäische Projekte, auch im Forschungsbereich, indem sie Kredite vergibt. Mit zehn Mrd. ließe sich unter Einbindung von Privaten und Sicherheiten ein Investitionsvolumen von bis zu 180 Mrd. Euro schöpfen. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 23.5.2012)