Julia Hess und Boris Ginner von der Sozialistischen Jugend.

Foto: der/standardat/burg

Martin Giefing, Naomi Dutzi und Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der SJ.

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Während die Sozialistische Jugend (SJ) einst vor allem durch die Organisation von Fackelzügen aufgefallen ist, zeigt sie sich heute angriffig und spart nicht mit Kritik an der eigenen Partei. Unter Wolfgang Moitzi klappert sie derzeit die Landesorganisationen der SPÖ mit einem Thesenpapier ab. Von ihrer Idee, die SPÖ "mit Demokratie zu durchfluten", wollen sie die Genossen überzeugen. Bisher habe man fünf Landesorganisationen besucht und die Reformvorschläge kämen bei der Basis gut an, erklärt Moitzi gegenüber derStandard.at.  Das innerparteiliche "Demokratiepaket" soll beim Bundesparteitag im Oktober als Antrag eingebracht werden.

Nach heutigem Stand enthält das Papier brisante Forderungen, deren Umsetzung wohl einen radikalen Kulturwandel innerhalb der SPÖ nach sich ziehen würde. Die SJ fordert die Partei außerdem auf, der Jugend auch die Chance auf Sitze im Nationalrat einzuräumen. Und: Europa steuere auf eine für Jugendliche massiv unattraktive Zukunft zu. Die Sozialdemokratie möge nun endlich dagegenhalten.

Koalitionsabkommen nur nach Sonderparteitag

Geht es nach Moitzi und Co., soll die Parteiführung künftig Koalitionsabkommen nur nach einem Sonderparteitag unterschreiben dürfen. "Was die SPÖ in einer Koalitionsregierung mit fünfjähriger Legislaturperiode an Maßnahmen und Reformen durchsetzt - und auch, mit welcher Partei eine Koalition eingegangen wird -, soll künftig nicht ohne Mitsprache der Parteimitglieder beschlossen werden können", heißt im Reformpapier der Sozialistischen Jugend.

Das seinerzeitige Abkommen zwischen Alfred Gusenbauer und dem damaligen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel wäre nicht zustande gekommen, wenn die Basis mitentschieden hätte, glaubt Boris Ginner, Pressesprecher der SJ und Vizepräsident der International Union of Socialist Youth (IUSY). Dass die Regierungsbildung unter diesen Bedingungen schwierig werden könnte, sorgt die jungen Roten nicht: "Prinzipiell ist es wünschenswert, dass man nicht immer die gemütlichste Variante macht, nämlich die Große Koalition."

Bundesgeschäftsführung wählen

Weiters soll das Bundesparteipräsidium abgeschafft werden. Tagespolitische Entscheidungen würden stattdessen vom 70-köpfigen Bundesparteivorstand getroffen werden. Auch die Bundesgeschäftsführung als "zentrale Leitungsebene der Partei" wollen die jungen Genossen künftig demokratisch legitimiert wissen. Ihre Besetzung soll auf dem Bundesparteitag gewählt werden.

Chancen statt Kadavergehorsam

Die SJ will außerdem, dass auch jungen Funktionären die Chance auf einen Platz im Nationalrat eingeräumt wird. Auf der nächsten KandidatInnenliste zur Nationalratswahl sollen sich mindestens 30 unter 30-jährige KandidatInnen finden - pro Bundesland sollte mindestens eine unter 30-jährige Person auf den ersten fünf Listenplätzen zu finden sein. Der jahrzehntelange Marsch durch die Instutionen, der Kadavergehorsam verlange, "verformt die Leute nur", sagt Ginner.

"Wenn man will, dass im Parlament Entscheidungen vom gesellschaftlichen Querschnitt getroffen werden, müssen auch Jugendliche eingebunden werden", sagt Moitzi. Laut Statistik Austria lebten im Jahr 2010 mehr als 1,5 Millionen 16- bis 30-Jährige in Österreich. "Diese Gruppe wird von niemandem im Nationalrat verteten", so Moitzi. Er kritisiert, dass in seiner eigenen Partei keiner der Abgeordneten unter 30 ist. "Die Jungen haben nicht das Gefühl, politisch gehört zu werden. Viele sind mit dem Bildungssystem wahnsinnig unzufrieden", sagt Julia Hess, SJ-Vorsitzende in Wien-Hietzing. Viele Ältere könnten sich in die Lebenswelt der Jungen nicht einfühlen, glaubt Ginner. Aus diesem Grund sei es auch schwierig gewesen, das Problem innerhalb der SPÖ zum Thema zu machen. Die Arbeitsverhältnisse für Junge würden sich seit Jahrzehnten verschlechtern. 

"EU versucht, Jugend zu vertreiben"

Ginner sieht die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse jedoch nicht nur als österreichisches Problem. "Die EU versucht, die Jugend zu vertreiben, weil sie dem Arbeitsmarkt keine Priorität mehr zumisst", sagt Ginner. Man versuche, die Reste der Sozialstaaten "wegzusparen", anstatt die "Profiteure der neoliberalen Politik zur Kassa zu bitten". Europa steuere auf eine für Jugendliche massiv unattraktive Zukunft zu. "Die Jugend wird sich schleichen von diesem Kontinent, wenn es so weitergeht. Die Sozialdemokratie muss umsteuern."

Hakel: Vertreten auch Interessen der Jungen

Elisabeth Hakel, 34-jährige SPÖ-Abgeordnete im Nationalrat, kann die Kritik der SJ nicht ganz nachvollziehen: "Die Jugend ist in unseren Gremien stark vertreten. Außerdem hängt es nicht vom Alter ab, ob man die Interessen der Jugend vertritt." Sie selbst sei in ihrem Bezirk in dieser Sache sehr aktiv und halte auch sonst regen Kontakt zu den Jugendorganisationen. Der Idee, auf einem Sonderparteitag über etwaige Koalitionsabkommen abzustimmen, kann sie nichts abgewinnen: "Die Bevölkerung sieht ungern lange Koalitionsverhandlungen." Die Spitzenvertreter der Partei würden ohnehin nicht entgegen der Grundauslegung der Partei verhandeln. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 25.5.2012)