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Polizeieinsatz gegen Umweltaktivisten. Im Hotel im Hintergrund findet der "Russische Arktis-Öl- und Gaskongress" statt.

Foto: REUTERS/Denis Sinyakov

Moskau - Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhebt in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht Vorwürfe gegen die russische Justiz. In mehreren Fällen seien Übergriffe gegen Journalisten oder religiöse Minderheiten zur Anzeige gebracht worden, ohne dass die Ermittlungen zu greifbaren Ergebnissen geführt hätten.

Außerdem würden immer noch Regierungskritiker nach dem Anti-Extremismus-Gesetz verurteilt, obwohl eine Entscheidung des Höchstgerichts aus dem Juli 2011 festhält, dass Kritik an Regierungsmitgliedern und anderen Politikern nicht als "Anstiftung zum Hass" nach diesem Gesetz zu werten sei. Alexander Kalistratow etwa sei in Altai wegen "Anstiftung zum Hass auf religiöse Gruppierungen" verurteilt worden, weil er Flugblätter der Zeugen Jehovas verteilt habe. Das Höchstgericht der zentralasiatischen Republik hob das Urteil auf.

Übergriffe im Nordkaukasus

Besonders bedenklich ist die Menschenrechtslage laut Amnesty im Nordkaukasus, wo Polizeiübergriffe oft ungeahndet blieben. Lokale Behörden verweigern demnach regelmäßig die Zusammenarbeit mit den Ermittlern, und Beamte bleiben trotz schwerer Vorwürfe weiter im Dienst.

Indessen stimmte das russische Parlament in erster Lesung für eine drastische Erhöhung der Geldstrafen für Teilnehmer an nicht genehmigten Demonstrationen. 236 Abgeordnete votierten für das Vorhaben der Regierungspartei Einiges Russland, 207 dagegen. Der umstrittene Entwurf kam in erster Lesung allerdings nur durch, weil Mitglieder der Regierungspartei versprachen, die Strafen in zweiter Lesung um zwei Drittel zu senken. Die am Dienstag beschlossenen Strafen bedeuten mehr als das Dreifache des durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland.

Eine Million statt 5.000 Rubel

Derzeit beträgt die Geldstrafe für die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten 5.000 Rubel (etwa 125 Euro), künftig sollen es laut dem Entwurf eine Million Rubel sein. Auf welche Höhe die Strafe in zweiter Lesung festgelegt werden soll, war zunächst nicht bekannt. Bei Protesten gegen die Abstimmung wurden laut Polizei am Dienstag mindestens fünf Menschen vor der Duma festgenommen. 

Eine erste, für vergangenen Freitag geplante Abstimmung über die Erhöhung der Strafen war verschoben worden, weil die Kommunistische Partei und ihre Verbündeten gedroht hatten, aus Protest den Saal zu verlassen. Einiges Russland hatte bei der Parlamentswahl im Dezember drastische Verluste erlitten und die Zweidrittelmehrheit eingebüßt; die Partei von Ministerpräsident Dmitri Medwedew verfügt aber weiter über die absolute Mehrheit. Seit den umstrittenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erlebt Russland eine bisher nicht gekannte Zahl von Massenprotesten gegen die Führung unter Präsident Wladimir Putin. (APA/red, derStandard.at, 24.5.2012)