Wien - Es ist nicht mehr als ein Türl mit einem kleinen Raum dahinter - aber das kleine Lokal, das an die 1848 Medienvielfalt Verlags GmbH, Herausgeberin der Website unzensuriert.at, vermietet ist, ist zum Politikum avanciert. Dahinter steckt der Streit darum, ob sich der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) als Vorstand der Gertrud-Meschar-Privatstiftung korrekt verhalten hat, als er für die Stiftung Anteile am Haus Billrothstraße 19 erworben hat. Sein Parteichef glaubt das jedenfalls.

In besagtem Haus ist nicht nur ein von Grafs Bruder Michael geführter Familienbetrieb untergebracht. Seit April dieses Jahres ist auch ein - jahrelang unvermietetes - Gassenlokal an unzensuriert.at vermietet. Mietkosten: 384 Euro plus Betriebskosten, wie Alexander Höferl dem STANDARD bestätigte. Höferl ist Chefredakteur der Website und "im Nebenberuf", wie er schmunzelnd anmerkt, Pressesprecher des Dritten Nationalratspräsidenten. Dieser hatte am Donnerstagnachmittag eine Unterredung mit FP-Chef Heinz-Christian Strache. Er legte dabei seine Sicht der Dinge dar, die diametral der Wahrnehmung der Stifterin Gertrud Meschar widerspricht. Die 90 Jahre alte Dame hatte im ORF-Report beklagt, dass ihr aus den Erträgen der eigentlich zur Förderung der medizinischen Forschung gegründeten Stiftung nur 5000 Euro im Jahr zufließen.

Doppelter Betrag

Graf setzt nicht nur diesen Betrag beim Doppelten an, sondern verweist auch darauf, dass sämtliche Wohnungskosten und Arztrechnungen (entsprechend dem Stiftungsauftrag "die Ausstattung und Unterstützung des Lebensunterhalts des Stifters" zu gewährleisten) von Frau Meschar durch die Stiftung getragen würden.

Die Stifterin habe mehrfach betont, dass sie das Wesen einer Stiftung verstehe. Es besteht darin, dass das in die Stiftung eingebrachte Vermögen eben nicht mehr dem Stifter gehört, sondern eine eigene Rechtspersönlichkeit erwirbt: Der Stiftungsvorstand hat dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen geschützt wird - auch gegen gerichtliche Angriffe von Begünstigten, wie es im Artikel 11 der Stiftungsurkunde ausdrücklich festgehalten ist.

Interessen des Kapitals

Diese Klausel könnte sich nun gegen Frau Meschar richten, die Graf als Stiftungsvorstand abberufen will. Doch Graf will die Interessen der Stiftung und ihres Kapitals vertreten - zumindest bis er von den Vorwürfen reingewaschen ist. Im Kern geht es darum, ob Graf die Interessen der Stiftung bestmöglich vertreten hat, als er drohende Verluste aus Wertpapierveranlagungen hintangehalten hat und stattdessen in die Immobilie in der Billrothstraße investiert hat, wo möglicherweise der Familienbetrieb und das von ihm und Höferl vertretene unzensuriert.at begünstigt wurden. (APA/cs, DER STANDARD, 25.5.2012)